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19. Juli – Alta

Es ist kaum zu glauben, aber die Anreise hat tadellos geklappt. Kein verlorenes Gepäck, kein verbogenes Rad, nicht mal eine kleine Verspätung. Lediglich die Nacht am Flughafen Oslo war ein wenig anstrengend. Wie üblich hatte ich es mal wieder geschafft, mich in einen gesperrten Bereich zu legen. Kaum dass ich nach gefühlt zwei Stunden in so etwas wie einen Dämmerschlaf gefallen war, kam auch schon ein ganz wichtiger Flughafenmitarbeiter, der mich freundlich aber sehr bestimmt aus meiner Ecke auf die andere Seite der Absperrung verfrachtete. Schade nur, dass er sich später nicht noch einmal blicken ließ. Denn kaum war er weg, machte es sich ein kopfhörerloser iPad-Besitzer dort gemütlich. Offenbar ein Fan koreanischer Animes. Ich war zu müde, um erneut aufzustehen und beschloss, das Geschepper von Soundeffekten und knurrigen Schurkenstimmen einfach hinzunehmen. Das Ergebnis war ein sehr bunter und traumgesättigter Halbschlaf, aus dem ich gegen halb fünf in die ebenfalls erwachende Flughafenbetriebsamkeit entfloh. Immerhin konnte ich mein Gepäck schnell und problemlos wieder aufgeben, was – nur um es noch einmal zu betonen – meinen Erfahrungen nach keine Selbstverständlichkeit ist. Zum Frühstück gab's eine kleine Cola und später im Flugzeug einen kleinen Kaffee. Hat gereicht, weil's reichen musste. Vom Flug nach Alta habe ich wenig mitbekommen, da ich immer wieder eingenickt bin. Gab auch wenig zu sehen, da unter uns eine dichte Wolkendecke lag. Erst beim Anflug auf Alta Lufthavn wusste ich wieder, warum ich hierher zurück wollte: Endlose Fjells, Schneefelder und teils noch zugefrorenen Seen. Wird wahrscheinlich nicht jeder verstehen können, aber diese so abweisend wirkende Landschaft ist zugleich auf faszinierende Weise ehrlich. Ja, hier kannst du verhungern und erfrieren, aber dafür gibt es auch eine fantastische Aussicht.

Nach der Landung machte ich mich ganz gemütlich daran, das Rad fahrtüchtig zu machen und das Gepäck umzuverteilen. Um kein Übergepäck zu haben, hatte ich die Frontroller-Taschen leer eingepackt und die beiden Gepäckträgertaschen mit Gaffa-Tape zu einem großen Klotz zusammengeklebt. Hat gut funktioniert.

Gegen halb elf war ich dann abfahrtbereit. Zunächst ging es nach Alta rein, um ein paar Norwegische Kronen abzuheben. Anschließend fuhr ich ganz gemütlich zum Alta Museum und machte mir ein paar schöne Stunden in der Ausstellung und dem Rundkurs mit den bis zu 7000 Jahre alten Felsgravuren. Anders als in Schweden haben sie hier nur einen Teil mit roter Farbe sichtbar gemacht. Der Großteil wartet selbst auf die Entdeckung, was gar nicht so einfach ist. Die Ausstellungsmacher gestehen freimütig ein, dass die Bedeutung der meisten Bilder unklar ist. Dennoch faszinierend, welche Zusammenhänge glauben herstellen zu können.

Leider war ich insgesamt zu müde, um mir wirklich alles anzusehen. Um kurz nach drei beschloss ich daher, dass es für heute reicht. Ich machte mich auf den Weg zum Campingplatz, ließ mich dabei vom Navi auf eine Single-Trail-Strecke für Mountainbiker locken und schob meinen Panzer eine Viertelstunde durch tiefen Kies. Egal, war eine schöne Landschaft flachgeschliffenen Granitfelsen und kleinwüchsigen Birken.

Der Rest ist schnell erzählt: Zelt aufgebaut, geduscht, Kleinigkeit gegessen, diesen Text hier getippt und nun um kurz vor sechs absolut bett- bzw. schlafsackreif. Morgen geht dann das richtige Radeln los – Richtung Øksfjordjokelen.

 

 

20.Juli – Alteiden

Der Tag begann nicht einfach nur gut, er begann strahlend. Und zwar genau um 00:00 Uhr, um 02:17 Uhr, um 03:38 Uhr und auch noch einige Male danach. Zwar gibt es um diese Jahreszeit und auf diesem Breitengrad („nur“ 70° Nord) offiziell keine Mitternachtssonne mehr. Aber auch wenn sie sich ein paar Grad unter den Horizont senkt, wird es trotzdem kein bisschen dunkel. Doch ein bisschen irritierend, wenn man per Flugzeug in dieser Zone und Zeit landet. Es fehlt halt an Akklimatisierung. Da ich aber eh sehr früh im Zelt lag, sprach auch nichts dagegen früh aufzustehen. Habe gemütlich gefrühstückt, alles abgebaut und war tatsächlich noch vor acht auf der Straße. Was absolut kein Fehler war, denn der Tag sollte richtig heiß werden (also deutlich über 20 °C). Ich fuhr auf der E6 erst nach Südwest dann nach Norden und schließlich grob Richtung Westen bis Alteidet. Diese Straße ist ja so etwas wie der Highway zum Nordkap. Entsprechend „dicht“ war der Verkehr. In Deutschland würde man von einer gelegentlich gut befahrenen Landstraße sprechen.

Da längere Streckenabschnitte aber gerade ausgebaut werden, schluckt man auf den Schotterabschnitten doch ein wenig Staub. Wenn es dann auch noch bergauf geht, man sich im leichtesten Gang bei 7 km/h hochkurbelt und Dutzende Fliegen die Gelegenheit für ein ausgiebiges Schweißbad nutzen, dann können die Nerven kurzfristig blank liegen. Zum Glück trifft man in regelmäßigen Abständen irgendwelche Irren, deren Anblick die eigenen vermeintlichen Qualen rasch relativiert. Zum Beispiel der Sommerlanglauf-Fan, der mir auf einer besonders üblen Schotterpiste entgegen kam und sich wie ein Berserker durch das Geröll stieß. Keine Ahnung, ob der überhaupt Rollen unter seinen Ski hatte oder ob er das Auslaufmodell aus dem letzten Winter aufarbeitete. In jedem Fall fetten Respekt – gesund ist das aber sicher nicht.

Wirklich klasse ist dagegen die Wasserversorgung hier oben. Alle paar Kilometer prasselt neben der Straße ein Wasserfall mit kristallklarem, eiskalten Nass herunter. Das schmeckt nicht nur großartig, es erspart mir auch die Mühe, die sonst üblichen 4-6 l Reserve mitzuführen. Sowohl gewichts- als auch volumenmäßig ein echter Gewinn.

Nach rund 95 km tat mein Hintern ordentlich weh, so dass ich beschloss, den Øksfjordjøkelen auf morgen zu verschieben. Ich steuerte daher bei Alteiden den Campingplatz an und richtete mich hier für zwei Übernachtungen ein. Das hat außerdem den Vorteil, dass ich das Steilstück zum Gletscher nicht mit dem gesamten Gepäck fahren muss. Ne heiße Dusche gab es auch noch – und die ist eh der eigentliche Star am Ende jedes Tages. Jetzt um kurz vor neun versinkt die Sonne langsam hinter einem hohen Berg im Nordwesten und macht sich bereit für ihre Nachtschicht. Mach ich dann auch mal.


Strecke: 95 km

Durchschnittsgeschwindigkeit: 17, 12 km/h

 

 

21.Juli - Øksfjordjøkelen


Ja, diesen Tag kann man wohl als anstrengend bezeichnen. Und das, obwohl ich kaum vom Fleck gekommen bin. Nur mal kurz über einen Hügel fahren und dann immer schön am Wasser lang bis zum Ende des Fjords hatschen – kann doch wohl nicht so schwer sein. Doch, kann es. Aber immer schön der Reihe nach.

Hab recht gut geschlafen und mich lediglich alle zwei Stunden vergewissert, dass die Nacht nicht an der Dunkelheit erkennbar ist. Von wegen: The night is dark and full of terror. Hier stimmt weder das eine noch das andere. Frühstück gab's um halb acht in der gemütlichen Küchenhütte. Habe mich dabei nett mit einem Karlsruher Reiseradler ausgetauscht, der vor drei Wochen von Helsinki aus zum Nordkap aufgebrochen ist. Er hat noch drei Wochen Zeit und schaut dann, wo er sein wird und wie er nach Hause kommt. Auch nicht unspannend.

Nach dem Frühstück bin ich dann bald aufgebrochen, um mal schnell bei meinem Gletscher, dem Øksfjordjøkelen vorbeizuschauen. Zum Glück konnte ich den Großteil des Gepäcks am Campingplatz lassen. Denn vollbeladen wären die rund 250 Höhenmeter doch eine rechte Quälerei geworden. So hat's immerhin gereicht, um oben angekommen ordentlich außer Puste zu sein. Runter ging es dann recht zügig und in rund einer halben Stunde war ich in Saltnes, wo laut Openstreetmap ein Pfad zum Gletscher führen sollte. Der war auch da, der Pfad. Und obendrein war er auch wirklich ein Pfad. Weiß der Geier warum, aber irgendwie war ich davon ausgegangen, dass ich da mit meinem Rad schon durchkommen würde. Ursprünglich war mein Plan, mit dem Rad – zur Not schiebend– bis ans Fjordende zu gelangen, dort zu campen und am nächsten Tag durch ein Seitental auf den Gletscher zu steigen. Zum Glück hatte ich mittlerweile mein Basislager in Alteiden aufgeschlagen. So tat es nicht ganz so weh, als ich nach höchstens 100 m mit dem Rad umkehrte, es am Parkplatz in Saltnes ankettete und mich zu Fuß auf den Weg machte. Vorher noch kurz die Notizen an der Infotafel überflogen. 8 km langer Weg, erste Hälfte einfach bis leicht, zweite mittel bis schwer, Dauer einfach: 3,5 h. Ach, dachte ich mir, das werden wieder so tourifreundliche Angaben sein, wie man sie aus überlaufenen Alpengegenden kennt. Da bin ich doch locker in 2 h durch - hin und zurück natürlich. Etwa drei Stunden später fiel mir das Zitat das Zitat von Siegfried Lenz ein, das ich in meinem Reiseführer entdeckt hatte: „Was ein Norweger sagt, daran kann man sich nicht nur halten, daran muss man sich halten.“ Tja, was soll ich sagen? Der Mann hatte einfach recht. Die erste Hälfte ging noch gut zu laufen. Trotzdem war ich schon hier froh, meine Wanderstöcke mitgenommen zu haben. Nach einem Rastplatz, der wohl sagen sollte „Warum weitergehen? Macht es euch doch hier gemütlich“, wurde der Weg deutlich anstrengender. Nicht schwer, sondern einfach anstrengend. Denn nun musste immer wieder mal 50, mal 100 Höhenmeter nach oben ausgewichen werden. Große Geröllbrocken und anderer Bauschutt von Slartibartfas' Leuten machten das Ganze zu einer kleinen Kletterei. Schon schön, aber schnell ist anders.

Als ich mich so voranarbeitete, donnerte es plötzlich gewaltig. Es dauerte eine paar Sekunden, bis ich realisierte, dass vom Gletscher ein großes Stück Eis abgebrochen war. Den Eissturz selbst konnte ich nicht beobachten. Aber ein gutes Stück links vom Hauptwasserfall schoss für eine halbe Minute die zweieinhalbfache Wassermenge in die Tiefe. Wirklich beeindruckend.

Nach ziemlich genau 3,5 h kam ich tatsächlich am Fuß des Gletscherablaufs an. Ich genoss meinen halben Reiseproviant (1 Snickers) und war mit mir und der Welt recht zufrieden. Aus dem Augenwinkel sah ich eine kleine braune Bewegung. Ich freute mich schon auf meinen ersten Lemming, als plötzlich ein kleiner Marder – könnte ein Hermelin gewesen sein – vor mir stand und mich für ein, zwei Sekunden neugierig anblickte, bevor er wieder im Farn verschwand. Ich nahm das als Zeichen zum Aufbruch und machte mich auf den Rückweg, der mir deutlich länger vorkam. Ziemlich geschafft kam ich schließlich wieder in Saltnes an und durfte nun noch den Hügel von der anderen Seite kennenlernen. Meist im leichtesten Gang bei den obligatorischen 6 km/h zählte ich die Mittelstreifen und vermied den doch nur frustrierenden Blick zum Horizont. Irgendwann erreichte ich die Sattelhöhe, trank mein restliches Wasser auf und genoss die minutenlange Abfahrt mit über 50 km/h. Schöner Schluss für einen heftigen Tag. Mal sehen, wie es morgen mit Muskelkater aussieht.


Strecke Fahrrad: 22 km

Durchschnittsgeschwindigkeit: 14,51 km/h

 

22. Juli Rotsund

Die Nacht war kühl; wohl unter 8 °C. Hab dafür morgens länger geschlafen und bin erst gegen halb elf losgekommen. Nach 10 km stieß ich auf den ersten Supermarkt seit längerem und deckt mich mit etwas Gesundem zu essen ein: Obst, Paprika, Blaubeeren im Keksmantel. Auf einer Parkbank folgte dann das zweite Frühstück. Erst danach ging die Tagestour wirklich los. Sorry, zu müde zum Schreiben. Fazit: Drei größere Anstiege mit 300, 600 und 250 Höhenmetern. Bin nach wie vor kein Bergfahrer. Aber die Abfahrten, vor allem die 7 km lange vom 2. Berg machten schon Spaß. So ab 60 km/h begann das Rad aber so zu vibrieren, dass ich doch mal in die Bremsen griff. Auf der Sattelhöhe der dritten Steigung war's das dann mit der Kondition für heute. Dachte ich. Denn auf der Abfahrt öffnete sich ein sagenhaft schöner Fjord vor mir. In der Ferne schienen die schroffen, schneebedeckten Berge direkt aus dem Wasser zu wachsen. Ein wunderschöner Anblick, der für alle Schinderei entschädigte.


Strecke: 108 km

Schnitt: 16,30km/h

 

23. Juli – Tromsø

Bin angenehm früh losgekommen und trat schon vor 10 Uhr in die Pedale. Für heute standen zwei Fährpassagen auf dem Programm: von Olderdalen nach Lyngseidet und von dem anderen, dessen Name ich schon wieder vergessen habe, nach Breivikeidet. Bis es soweit war, mussten aber erste einmal 30 km runtergerissen werden. Natürlich mit einer netten Steigung garniert. Aus einem mir mittlerweile völlig unbegreiflichen Grund, bin ich ursprünglich davon ausgegangen, dass hier alle Straßen im Großen und Ganzen auf Meereshöhe verlaufen. Im Großen und Ganzen stimmt das auch. Andererseits genügt es völlig, wenn der Straßenverlauf alle 20 km eine kleine Landzunge mit einer Querung abkürzt. Mittlerweile stöhne ich schon innerlich auf, wenn sich auf dem Navi ein derartiger Streckenverlauf ankündigt. Denn dann ist klar, dass die Geschwindigkeit auf 6 km/h sinkt und der Wasserverbrauch in die Höhe schießt.

In Olderdalen angekommen gönnte ich mir am Pier eine Cola in der Annahme, dass die in der Ferne sichtbare Fähre wohl noch ein bisschen bräuchte. Tatsächlich hatte ich keine Zeit zum Austrinken an Land. Das Verladen ging schnell und reibungslos. Die rund 5,50 Euro für die Überfahrt erschienen mir auch als sehr fair, ersparten sie mir doch einen Umweg von deutlich über einer Tagesroute. An Deck gab es bei einer sehr steifen Brise Gelegenheit, diese unglaublichen Berge von einer neuen Perspektive zu entdecken. Jeder einzelne von den scheint zu flüstern: „Komm auf meinen Gipfel – falls Du es wagst.“

In Lyngseidet angekommen musste ich die nächsten 10 bis 20 km hart gegen den Wind anfahren. Daher war ich sehr dankbar, als ich auf eine Stelle mit gletscherglattgeschliffenen Felsen stieß und mir dort eine ausgiebige Mittagspause gönnte. Die vielen alten Feuerstellen bestätigten, dass auch andere dies Fleckchen zu schätzen wussten. Die nächste Stunde verbrachte ich auf den warmen Steinen mit Dösen und dem Betrachten der wenigen Wolken.

Gut ausgeruht ging es dann zur zweiten Fähre weiter. Dort ergab sich ein nettes Gespräch mit einem Paar aus Oslo, die ebenfalls ganz begeistert von dieser Landschaft waren. Die Überfahrt dauerte rund 20 min und lief ebenfalls reibungslos. Die Fähre allerdings geriet bei dem zunehmenden Wind beträchtlich ins Rollen. In Breivikeidet angekommen war ich mir ziemlich sicher, dass es mit Tromsø heute nichts mehr werden würde. Laut Karte waren es noch über 60 km und die Uhr zeigte bereits fünf. Aber der Wind hatte sich gedreht und trieb mich nun kräftig voran. In der Ebene kam ich fast auf einen 24er Schnitt. Außerdem gab es hier nun wirklich so gut wie keinen Verkehr mehr. Kurz und gut: Genussradeln pur. Später traf ich dann noch einen Österreicher und wir ratschten eine halbe Stunde am Straßenrand über alles, was unsereins so interessiert: Übernachtungsgelegenheiten am Straßenrand, Reifendruck, Fahrräder im Flugzeug, Tagesziele etc. Hinterher erst merkte ich, dass wir angesichts dieser Informationsdichte gar nicht dazu gekommen sind, uns namentlich vorzustellen. 

 

Die letzten 20 km vor Tromsø wurden dann wieder ungemütlicher. Der Verkehr nahm schon fast Stuttgarter Verhältnisse an und die Trucks und Wohnmobile gingen auf Tuchfühlung. Ich war daher sehr froh, als schließlich ein Radweg parallel zur Hauptstraße angezeigt wurde. Trotzdem zogen sich die letzten Kilometer ziemlich. In Tromsø selbst kam ich gut in einem einfachen, preiswerten Hotel unter. Morgen wird dann ein Ruhetag eingelegt mit Museumsbesuchen und vielleicht einer großen Portion Spaghetti.

 


Strecke: 104 km

Durchschnittsgeschwindigkeit: 17,08 km/h

 

24. Juli - in Tromsø

 

Heute war Urlaub vom Urlaub angesagt. Nachdem ich die Nacht dank Vorhang durchschlafen konnte, verbrachte ich den Vormittag mit der Aktualisierung des Blogs.Ist alles ein bisschen zeitaufwändiger, da mein altes Netbook doch etwas schwachbrüstig hinsichtlich Rechenpower ist. Das wacklige WLAN in meinem Zimmer macht's auch nicht besser. Ist aber vielleicht auch ganz gut. Ein kurzer Blick in die Nachrichten genügt, um zur Überzeugung zu gelangen, dass die Welt eigentlich schon einen Schritt über den Abgrund hinaus ist. Seltsam, wie überzeichnet schrill alle Nachrichten klingen, sobald man sich für ein paar Tage aus dem Info-Bombardement ausgeklinkt hat. Als kleines Gegenmittel hier ein paar völlig belang- und damit auch harmlose Mitteilungen aus einer kleinen Stadt nördlich des Polarkreises:

 

Waschtag. Wie das Büro für Hygiene und olfaktorischen Wohlgefallen mitteilt, hat der Verfasser dieser Zeilen seine ranzigen Klamotten erfolgreich einem Wasch- und Trocknungsprozess unterzogen. Gefragt nach einem ersten persönlichen Eindruck gab er zu Protokoll: „Hey, das riecht ja wirklich wie eine Frühlingswiese. Und wie sich das anfühlt: so unglaublich kuschelstreichlich. Sollte die Werbung etwa doch recht haben?“ (Anmerkung: Dieses Testimonial ist käuflich zu erwerben. Bei Interesse kontaktieren Sie bitte direkt unsere Nachrichtenredaktion.)

Kulturbotschafter eingetroffen. Über unerwarteten Besuch aus dem Ausland freute sich heute das Universitätsmuseum der Stadt Tromsø. Ein wohlriechender, sonst aber unscheinbar gekleideter Bicyclist verweilte mehrere Stunden in der umfangreichen, didaktisch hervorragend aufbereiteten Ausstellungen zur Kultur und Geschichte der Samí. Etwas erstaunt zeigte ich der Gast nur über den geringen Besucherandrang: „Wo sind denn nur die ganzen Touris? Das hier ist wirklich mal sehenswert. Wahrscheinlich hängen alle in der Fußgängerzone beim Shoppen ab. Auch gut. Kann ich mir ja dann sparen.“

Erster Winterschläfer im Hochsommer geortet. Ungewöhnliche Geräusche schreckten heute Nachmittag die Rezeption eines kleinen Tromsøer Hotels auf. Zwischen 16 und 18:30 drangen aus einem Zimmer deutlich vernehmbare Schnarchgeräusche. Um welche Tierart es sich handelte, konnte in der Kürze der Zeit nicht festgestellt werden, da angesichts der Lautstärke niemand wagte, das Zimmer zu betreten.

Heute aus unserer Kulanaria-Abteilung. Deftige Sommerkost für alle die's gebrauchen können – Spaghetti al Pesto. Man besorge sich 250 g Spaghetti und etwas Fertigpesto (nicht unbedingt den billigen Kram), suche in einer fremden Küche 10 min alle benötigten Geräte zusammen. In einem Topf versetze man Wasser mit etwas Salz aus den Salzstreuern im Speiseraum und bringe es vorsichtig zum Kochen. Die Spaghetti zugeben, 10 min kochen, abseihen und mit dem Pesto verrühren. In eine große Schüssel füllen und zufrieden vertilgen.

Das Wetter. 8 °C, bewölkt, gelegentlich leichter Nieselregen. Die Aussichten für die kommenden Tage: Sonnig bei bis zu 20 °C. Völlig übertrieben.

 

Ok, spannende Neuigkeiten sehen anders aus. Dafür kam bei der Herstellung dieser Nachrichten kein Tier zu Schaden – mal von der einen Mücke abgesehen (Im Vergleich zu den bisherigen Mückenopfern ist die aber vernachlässigbar).

 

 

25. Juli – Fjordbotn auf Senja


Bin auf Senja, der zweitgrößten norwegischen Insel, angekommen.

Mit dem Losfahren habe ich mir Zeit gelassen. Erstmal im Hotel alles neu gepackt, noch ein bisschen im Netz getrödelt und schließlich um halb zwölf aufgebrochen. Bis ich aus Tromsö raus war, musste ich das erste mal auf dieser Tour eine längere Strecke schieben. Die Stadt kann es, was die Steigungen angeht, locker mit Stuttgart aufnehmen. Zum Glück kam dann bald einer langer, gut ausgebauter Radweg, der mir den Ausfallverkehr ersparte. Nach etwa 20 km ging es dann in die Highlands. Zumindest wirkte die Gegend sehr schottisch. Langer zehrender Anstieg. Oben auf der Hochebene dann viele einheimische PKW am Straßenrand. Keine Ahnung, ob die zum Angeln oder Wandern da sind. Vielleicht beginnt in Norwegen das Wochenende aber einfach auch schon am Freitag. An einem netten See schlug ich mich mit dem Rad etwa 100 m in die Tundra und genoss die Ruhe und Einsamkeit. Bis plötzlich ein seltsames Brummen erklang. Ich dachte zuerst an eine Hummel, sah dann aber über mir eine Drohne, die in weitem Bogen das Ufer abflog. Den Piloten entdeckte ich nach kurzer Suche etwa 300 m in einem kleinen Birkenwäldchen. Soviel also zum Thema Einsamkeit.

Davon abgesehen war heute nicht viel los. Auch mit mir. Obwohl die Strecke nicht besonders groß war, bin ich ziemlich geschafft. Die Überfahrt nach Senja habe ich komplett verschlafen. Mag am konstanten Gegenwind gelegen haben. Auf der Fähre habe ich drei polnische Radler getroffen, die heute in Tromsö gestartet sind und auch nach Andenes wollen. Glaube aber nicht, dass ich mit denen mithalten kann. Sind mit leichtem Gepäck (Hängematten statt Zelt) unterwegs und fahren wie der Teufel. Nö, soviel Ehrgeiz hab ich dann doch nicht. Den Campingplatz hatte ich eigentlich gar nicht eingeplant, zumal er abseits der eigentlichen Route liegt. Die Verlockung einer heißen Dusche war dann doch zu groß. Shower-Junkie halt. Es wird aber wirklich auch kühler und windiger.

Auf dem Campingplatz hier sind außer den Polen und mir auch noch eine Gruppe holländischer Radfahrer (Rückweg vom Nordkap) und ein paar andere, von denen ich bisher aber nur die Räder gesehen habe.

Schluss jetzt.Mir fallen bald die Finger ab vom Tippen im Wind.


Strecke: 69 km

Durchschnittsgeschwindigkeit: 16,29 km/h

 

26. Juli – Andenes

Der Tag der Tunnel und Strände. Herrliches Wetter heute: Sonnenschein, kaum Wind und angenehme 18 °C oder so. Bin früh aufgewacht – durch die Sonne im Zelt geweckt – und war schon um viertel nach neun wieder auf der Piste. Zunächst ging es über eine kleinere Inlanderhebung. Immer wieder erstaunlich wie sehr sich die Landschaft ändert, wenn man von Meereshöhe knapp 100 m höher steigt. Die Bäume werden kleiner, die Böden karger, es wird einfach alpiner. Die Baumgrenze dürfte nicht höher als 300 m ü.d.M. liegen. Nachdem ich diesen Teil bewältigt hatte, folgte eine gut 40 km lange Strecke, die mir den Atem stocken ließ. Eine Mischung aus Mittelerde und Riviera. Um einen herum steile, wie mit der Laubsäge geschnittene Berge; vor einem der kurvenreiche Straßenverlauf oberhalb von weißen Sandstränden mit türkisgrünem Wasser. Einmal sah ich sogar ein paar Kinder mit den Beinen im Wasser; schwimmen aber war niemand. Vielleicht traue ich mich das ja noch auf dieser Tour. Sicher ist das aber nicht :-)

Zwischen diesen lieblichen Passagen gab es immer wieder Tunnel. In der Regel gut ausgebaut und beleuchtet. Trotzdem glich jeder einem Abstieg in Moria. Das interessanteste Exemplar sollte nach einem langen Anstieg folgen: Die ersten 100-150 m waren unbeleuchtet und der Boden am Rand eine einzige Schlaglochwüste. Selbst mit Licht konnte ich kaum erkennen, durch was ich da fuhr. Zum Glück gab es wenig Gegenverkehr. Als allerdings das erste Auto auftaucht und mich (unbeabsichtigt) blendete, verhedderte sich auch noch ein Schnürsenkel in der rechten Pedale. Halb rollend, halb stürzend konnte ich das Rad noch abfangen, landete dabei aber im knöcheltiefen Schlamm. Egal, nix passiert. Nach der unbeleuchteten Strecke wurde es ein wenig besser, da zumindest in größeren Abständen Natriumdampflampen hingen, die den Boden kontrastreicher erkennen ließen. Es folgte dann 1 km Tunnelfahrt bei konstanter Steigung. Am Ausgang sagte mir mein Höhenmesser, dass ich über 100 m Höhe gewonnen hätte. Gut, wenn man solche 10-%-Steigungswarnungen erst hinterher erhält. Das lässt einen die Sache nicht ganz so verkrampft angehen. Geschlaucht hat's trotzdem. Entschädigt hat wie immer die Abfahrt. Diesmal sogar mit neuem Tour-Rekord: 67 km/h.

Der Rest der Strecke schlängelte sich immer an der Nordküste von Senja entlang. Auch hier wieder dieses unglaublich klare und doch so kalte Wasser. Vor Gryllefjord, der Fährstation nach Andøya, lag noch eine lange Steigung, an deren Ende ein Tunnel sichtbar war. Gleichzeitig führte rechts eine Straße in langen Serpentinen über den Berg. Ich fürchtete schon, dass dieser Tunnel für Radler gesperrt wäre und sich diese stattdessen über die Straße quälen müssten. Meine Laune sank etwas. Zum Glück hatte ich jede Menge Begleiter, die mich aufzuheitern versuchten. Fliegen. Nicht einfach nur ein Dutzend, sondern hunderte. Ich atmete so vorsichtig es ging durch die Zähne, um nicht versehentlich einen sicher nahrhaften, aber reichlich ekligen Proteincocktail zu mir zu nehmen. Dazu trat ich wie ein Irrer in die Pedale, um die Mistviecher abzuschütteln und schlug mit einem Arm wild um mich. Fliegen fallen aber erst ab 25 km/h zurück. Keine Chance, diese Geschwindigkeit bergauf zu erreichen. Ich war daher unendlich dankbar, als ich vor dem Tunnel stand und dieser nicht nur für Fahrräder offen war, sondern auch noch ein ordentliches Gefälle aufwies. Kurzzeitig stieg in mir das Bild auf, wie ich eine schwarze Wolke in einen Höllenschlund führte. Der Herr der Fliegen im Landeanflug, sozusagen.

In Gryllefjord angekommen war dann Warten angesagt. Ich hatte die 15-Uhr-Fähre um 45 min verpasst und nun bis 19 Uhr Zeit für Hörbücher und Sonnenbaden auf einer Holzbank. Später traf dann auch noch Jonathan aus Den Haag ein (also er lebt dort). Nach der zweistündigen, recht schaukeligen Überfahrt machten wir uns gemeinsam auf der Suche nach einem offenen Supermarkt und anschließend zu dem gut besuchten Campingplatz. Dann der abendliche Dreiklang: Zelt aufbauen, Duschen, Essen. Diesmal gab es Pytt i Panne als Fertiggericht. Nicht so lecker, aber ganz sicher nahrhaft. Den Rest des Abends verbrachte ich mit Fotografieren am Strand. Thema: Der stundenlange Sonnenuntergang am Strand. Als die Sonne sich endlich nach ein Uhr unter den Horizont gezwängt hatte, legte auch ich mich schlafen. Jonathan wartete noch den Sonnenaufgang ab und lag daher erst nach zwei Uhr in der Koje.


Strecke: 86 km

Durchschnittsgeschwindigkeit: 15,3 km/h

27. Juli – in und um Andenes

Es war eine stürmische, regnerische Nacht, in der der 27. Juli zum Leben erwachte. Zelte beugten sich vor der Wut der Elemente. Ängstliche Seelen krochen tiefer in ihre Schlafsäcke; andere drehten sich nur um und dachten bei sich: „Klasse: ausschlafen.“ Schwer zu sagen, zu welcher Kategorie ich gehörte. Einerseits genoss ich den Sturm und das Pladdern des Regens, andererseits stand ich trotz Ausschlafmöglichkeit schon um acht Uhr auf. Wahrscheinlich doch allmählich senile Bettflucht. Bei einer schönen Kanne Tee verfolgte ich den teils fluchtartigen Abbau der meisten Gäste. Nun ja, es sah auch wirklich so aus, als ob es sich dauerhaft einregnen würde. Bereits um elf war alles aber schon wieder anders. Der Wind legte sich, der Himmel riss auf und ein weiterer fantastischer Tag zog herauf.

Heute sollte es Wal geben. Jonathan hatte bereits eine Buchung für eine Walsafari, der ich mich gerne anschließen wollte. Zunächst kam ich nur auf die Warteliste, da alle Fahrten für heute schon ausgebucht waren. Nachdem eine Familie aber ihre Fähre nach Andenes verpasst hatte, konnte ich doch noch einspringen. Es folgten eine kurze Information über das Walrevier hier, Sicherheitseinweisungen und das Ankleiden mit Seenotanzügen und Schwimmwesten. Als alle wie das Michelinmännchen verpackt waren, wurden zwei Gruppen gebildet. Ich landete in der mehrheitlich niederländisch-sprechenden Gruppe. War sehr nett: Die Kommunikation entwickelte sich als westgermanisches Durcheinander: Holländisch, Englisch, Deutsch. Friesisch hätte uns noch gefehlt.

Auch wenn der Sturm sich gelegt hatte, war die See immer noch recht rau. Die Fahrt raus zum Abbruch des Kontinentalschelfs, der nur rund 25 km von Andenes entfernt ist, war allein schon ein Spaß. Das relativ leichte Schlauchboot bretterte über die Schaumkronen hinweg und schüttelte uns alle ordentlich durch. Als wir bei der Abbruchkante ankamen und sich unter uns ein Abgrund von 3000 m Tiefe auftat, fehlten eigentlich nur noch die Hauptdarsteller: Pottwale. Die Männchen (und nur die) machen hier in den Sommermonaten so etwas wie ein Jagdausflug für Junggesellen. Jagen, fressen, schlafen. Die Weibchen und ggf. der Nachwuchs bleiben in den wärmeren Gewässern der Azoren zurück. Nun folgte der etwas langweilige Teil: Wo ist der Wal? Wo bläst er bloß? Ich wusste anfangs gar nicht, wonach ich Ausschau halten sollte. War der weiße Schaum da vorne der Blasstrahl eines Wals oder doch nur eine Schaumkrone? Einige aus unserer Gruppe sahen schon Dinge und waren ganz aus dem Häuschen. Ich zweifelte schon an mir, als plötzlich tatsächlich eine Fontäne in vielleicht 50 m Entfernung aus dem Meer schoss. Jetzt hatte es auch mich gepackt. Ich verfolgte die „Spur“ des Wals und entdeckte tatsächlich irgendwann eine Finne. Und dann war er neben unserem Boot. Etwas längliches, glattes, das äußert elegant durch das Meer glitt, dessen wirkliche Größe sich aber nicht abschätzen ließ. Ich musste unwillkürlich an Alien I denken – auch wenn der braune Riese im Wasser überhaupt nicht bedrohlich wirkte. Er schwamm noch ein Weil mit uns, bevor er sich mit einem eleganten Schwanzflossenwinken in die Tiefe verabschiedete. Alle hatten ihre Fotos und waren restlos begeistert. Da der Pottwal frühestens in 30, wahrscheinlich aber erst nach 45 min wieder auftauchen würde, machten wir uns auf den Rückweg. Die See war wieder rauer geworden und der Ritt heimwärts noch eine Nummer härter. Plötzlich stoppte der Skipper das Boot und zeigte auf elf Uhr. Es dauerte eine Weile, bis ich die Flossen erkennen konnte. Unsere Begleiterin erklärte, dass es sich um mehrere Familien von Grindwalen handele, die hier so etwas wie ein Familientreffen abhielten. Sehr neugierige Tiere, die prompt auch immer näher kamen. Die Jungtiere hatten es mit dem Auftauchen noch nicht so ganz raus und schossen gelegentlich über die Oberfläche hinaus. Interessant auch: Grindwale (bis zu 9 m groß) haben angeblich den höchsten, bekannten Testosteronlevel und verhalten sich anderen Walarten gegenüber sehr aggressiv. Später an Land zeigte man uns noch neue Videoaufnahmen von mehreren Grindwalen, die einen Pottwal angreifen und versuchen unter Wasser zu drücken. Ich habe geknipst, was das Zeug hielt und gut 200 Aufnahmen an diesem Nachmittag gemacht. Die Auslöseverzögerung und das schwankende Boot machten einen Großteil zu uninteressantem, unscharfen Matsch. Ein oder zwei gute Aufnahmen gelangen dennoch. Und selbst wenn keine was geworden wäre, der Ausflug hat sich in jedem Fall gelohnt. Ich muss hier unbedingt noch einmal im Winter her und dann auf Orca-Safari gehen.

 

 

28. Juli – Sortland

Eigentlich wollte ich heute eine ganz gemütliche 50-km-Tour einlegen und es ganz langsam angehen lassen. Letzteres hat geklappt, da ich erst um 11:15 vom Campingplatz

in Andenes aufbrechen konnte. Jonathan war schon vorgefahren, um im Ort noch etwas zu essen zu kaufen. Im Laufe des Tages fuhren wir uns aber immer wieder über den Weg, da er ein Mordstempo drauf hatte und mich nach Pausen meist von hinten her aufrollte.

Wetter, Landschaft und Straßenverlauf waren perfekt. Wir wählten die wenig befahrene Westseite von Andøya. Es gab keine großen Steigungen. Nur der recht kräftige Wind aus West und Süd bremste mitunter ein wenig aus. Trotzdem rollte das Rad so gut, dass ich die erste Pause erst nach 58 km einlegte. Dann aber war der Hunger so groß, dass ich sofort einen Liter Ananassaft, einen Apfel und eine Rolle Kekse verschlang. Leider entging mir dadurch das von Jonathan angepriesene Waffelparadies, das etwa 10 km weiter wartete. Nun, man kann nicht alles haben. Weil es aber gerade so gut lief, entschloss ich mich doch etwas weiter zu fahren und in Sortland zu übernachten. Die Landschaft bis dahin wartete mal wieder mit allem auf: Moore, Fjorde, zunehmend wieder Wälder – und überall als Rahmen dabei: fantastische Berge wie aus dem Klischeebilderbuch. Sorry für die dürren Worte. Bin aber doch ein klein bisschen müde. Übermorgen soll es regnen. Wenn alles klappt, lege ich dann in Svolvaer auf den Lofoten einen Ruhetag im Hostel ein und kann dann vielleicht noch was ergänzen.

 

Strecke: 112 km

Durchschnittsgeschwindigkeit: 16,74 km/h

 

29. 7. Kabelvåg

Der Zeltplatz in Sortland, auf den ich gestern aufschlug, begeisterte mich zunächst nicht gerade. Für Zelte gab es nur schräge Flächen. Insgesamt scheint man stark auf Caravanfahrer und Hüttenübernachter ausgerichtet zu sein. Ich stellte mein Zelt schließlich auf eine freie Caravanfläche und hieb die Häringe mit zunehmender Wut in den steinharten Boden. Die folgende Nacht mit hervorragendem Schlaf versöhnte mich aber rasch. Am heutigen Morgen genoss ich die Sonne in einem von den Hütten ausgeliehenen Gartenstuhl, trank Tee und sah meinem Zelt beim Trocknen zu. Auch schön, den Beine einfach mal still zu halten. Irgendwann nach zehn Uhr war ich dann abfahrbereit und verabschiedete mich vorerst von Jonathan. Er würde mich bis Svolvaer eh einholen. An der Ostküste von Langøya fuhr ich Richtung Stokmarknes, die ersten Berge der Lofoten bereits im Blick. Der Wind aus Ost trieb mich dabei gut voran. Nach einer der zahlreichen Fotopausen sah ich in der Ferne einen Radler aus Richtung Sortland kommen. Ich freute mich auf einen kleinen Erfahrungsaustausch und wartete. Nach dem üblichen englischen Intro einigten wir uns darauf, dass wir beide aus Deutschland sind. Dieter ist in Frankfurt gestartet und seit zwei Monaten unterwegs. Bis Melbu, der nächsten Fährstation, sollten wir uns regelmäßig gegenseitig überholen, weil wir beide angesichts der Landschaft in einen regelrechten Fotorausch gerieten und ständig anhalten mussten. Als wir in Melbu auf die Fähre warteten, stieß auch Jonathan wieder zu uns. Auf der anderen Seite in Fiskebøl entschied er sich für die längere Strecke entlang der Westküste, während Dieter und ich die stärker befahrene Ostküste nahmen. Rein tempomäßig kamen wir sehr gut voran. Als für uns erste Lofoteninsel zauberte Austvågøy hinter jeder Kurve ein neues Naturwunder hervor. Mit Worten lässt sich gar nicht beschreiben, was hier abgeht. An erster Stelle sind natürlich diese steilen, hart geschnittenen Berge zu nennen. Zu deren Füßen das Meer oder von Mooren eingeschlossene Seen. Dazwischen immer wieder Fischer- und Schäferhütten als rote Einsprengsel. Der Himmel gleichzeitig zum Greifen nah und am Horizont doch unendlich weit. Lange, schnell wachsende Cirruswolken schienen wie mit flüchtigen Pinselstrich aufgetragen zu werden. Dazu dieser seltsam würzige Geruch von Moor, Tang und von der Sonne erhitzten Wiesenkräutern. Als Geräuschkulisse gab es den pfeifenden Wind und das leise Brummen der Räder auf dem rauen Asphalt. Im Hintergrund Schafe mit kleinen Glöckchen am Hals und das Geschrei halbstarker Möwen am Himmel. Wir kamen aus dem Staunen nicht mehr heraus. In der Dichte der Eindrücke ist dies ohne Frage der schönste Ort, den ich bisher kennenlernen durfte. Alle paar hundert Meter hielten wir an und schossen ein weiteres Dutzend Fotos und versicherten uns, dass alles real ist. Irgendwie hegten wir beide den Verdacht, irgendwo doch noch einen Markenstempel von Märklin oder ähnlichen in der Landschaft zu finden.

Die rund 30 km bis Svolvaer, der „Hauptstadt“ der Lofoten, zogen sich durch unser ständiges Anhalten in die Länge. Trotzdem schien dieser Nachmittag wie im Flug – oder besser noch: wie im Rausch – zu vergehen. Um kurz vor sieben trafen wir in Svolvaer in der Tourist Information ein. Man empfahl uns zuerst das 6 km entfernte Vandrerheim in Kabelvåg. Müde und auch ein wenig faul fragten wir nach einer Alternative in der Stadt. Die gab es. Jedoch entpuppte sie sich als kleines Zimmer mit Doppelbett in einer liebevoll hergerichteten Rorbu für 1600 Kronen. War dann doch nicht das Richtige für uns. Also auf zum Vandrerheim. Auf die eineinhalb Anstiege dorthin hätten wir beide verzichten können, aber das Hostel selbst entschädigte für alles: Doppelzimmer für zwei Nächte inkl. 2x Frühstück für 1300 Kronen insgesamt. Dazu Waschmaschine, Trockner, Internet, Küche … Einfach klasse. Einrichten und Duschen war schnell erledigt. Es folgte die erste von zwei Waschmaschinenladungen. Dazwischen suchten wir in Kabelvåg einen Pub, wurden fündig und vertranken an diesem Abend rund 45 Euro (2 Bier für jeden). War aber sehr nett. Dieter erzählte von seinen ausgedehnten Reisen rund um die Welt. Wir philosophierten über die richtige Art zu reisen, erörteten die Probleme analoger Bildbearbeitung und die Wirksamkeit dünner Neoprenschichten gegen die Tentakel der Portugiesischen Galeere. Alles in allem ein überaus gelungener Abschluss für einen überragenden Tag.


Strecke: 90 km

Durchschnittsgeschwindigkeit: 18,97 km/h


30. 7. Kabelvåg

Wie vorhergesagt regnet es heute. Nach dem sehr reichhaltigen Frühstücksbuffet (jede Menge Lachs :-)), bringe ich jetzt erst einmal das Blog auf den neuesten Stand, trinke Tee und warte darauf, dass es heute nachmittag vielleicht noch aufreißt.

 

Später: Es ist nicht aufgerissen. Aber der Regen hat irgendwann aufgehört. Dieter und ich sind in den Ort gelaufen, um ein paar Dinge zu besorgen. Dabei müssen wir uns irgendwie auf der Mole verlaufen haben und in eine Art Fotomanie verfallen sein. Innerhalb von zwei Stunden habe ich alleine rund 200 Fotos geschossen. Die Landschaft, die tiefhängenden Wolken und die erigen Farben machen es einem aber auch leicht, überall Motive zu entdecken. Wieder im Hostel zurück gab es Spaghetti und ein Bier. Netter entspannter Tag und doch viele neue Eindrücke gesammelt.

Das Hostel in Kabelvåg ist übrigens nur zu empfehlen. Sehr freundlicher Service, exzellentes Frühstück, gut ausgestattete Küche, saubere Zimmer, Waschmaschine, WLAN, kostenloser Tee, Kaffee und Schokoladenkuchen tagsüber. Fällt mir direkt ein bisschen schwer, das wieder gegen die Straße einzutauschen.

 

31. 7. Eggum

Nachdem wir uns noch einmal beim Frühstücksbuffet ordentlich bedient hatten, schwangen wir uns gegen elf wieder in die Sättel. Prinzipiell würden die Tagestouren nun eher gemächlich werden, denn so ausgedehnt sind die Lofoten nun auch wieder nicht. Statt der großen Meilenfresserei waren nun eher viele kleine Highlights – verbunden auch mit dem ein oder anderen Umweg – angesagt.

Unser erstes Ziel war Henningsvaer, ein nettes kleines Fischerdorf etwas westlich von Kabelvåg. Neben einer netten Hafenansicht und vielen Touris gab es auch für jeden eine Pizza, die zunächst kaum zu bewältigen schien. Da man als Reiseradler aber eh potentiell unterernährt ist, gelang uns das Fressen auf Vorrat doch. Die ersten paar Meter fielen mir zwar schwerer, doch der Energieschub trat gut. Auf dem Rückweg zur E10 ging es wieder durch diese wildzerklüftete Küstenlandschaft mit dem unglaublichen klaren Meer. Neben den obligatorischen Caravanfahrern trafen sich hier auch die Kletterer. An einem besonders schön rundgeschliffenen Felsplateau stießen wir auch wieder auf Jonathan beim Bouldern. Eine Matte hatte er sich von Norwegern geliehen, die um die Ecke übten. Sah schon sehr elegant aus, wie er da kopfüber die Decke entlangkletterte. Aber an so etwas brauche ich mit meiner Wampe erst gar nicht zu denken. Wie sahen ihm eine Weile zu, schossen wieder Dutzende Bilder und machten uns dann auf den Weg nach Eggum, wo wir in einem Naturpark an der Küste die Zelte aufschlugen. Den Abend verbrachten wir mit vergeblichen Versuchen, ein kleines Feuer in Gang zu bekommen und dem Warten auf den Sonnenuntergang. Sollte sich lohnen und uns eine reiche Ausbeute an Stimmungsbildern bescheren.

 

Strecke: 81 km

Durchschnittsgeschwindigkeit: 16,75 km/h

 

1. 8. Ramberg

Nach unserer gestrigen Fotosession mit der untergehenden Sonne, haben wir hervorragend geschlafen und sind erst um zehn aus den Zelten gekrochen. Es folgte ein reichhaltiges Frühstück mit Brot, Chorizo, Nüssen, Snickers, Tee und heißer Schokolade. Um nicht den gleichen Weg zurückfahren zu müssen, erkundeten wir den vom Navi angezeigten Wanderweg mit unbepackten Rädern. Es war aber schnell klar, dass das nichts werden würde. Also ließen wir die Räder zurück und wanderten zur Abwechslung ein bisschen. Allerdings war ziemlich viel los. Neben den Campern, die an der alten deutschen Radarstation aus dem 2. Weltkrieg übernachtet hatten, trafen nun auch Sightseeing-Touris per Reisebus ein. Für uns endgültig das Zeichen zum Aufbruch.

Meine Verfassung war heute allerdings nicht die beste. Kleinere Meniskusprobleme und ein steifer Gegenwind drückten das Tempo und die Stimmung ein wenig. Nach Leknes bogen wir wieder von der E10 ab, um der rotweißen Kirche von Buskenes einen Besuch abzustatten. Sehr nett fanden wir den roten Teppich vorm Kircheneingang. Natürlich war der ebenso wenig für uns gedacht wie die Stretchlimousine, die davor parkte. Eine Hochzeit war im Gange und wir kamen gerade rechtzeitig für den Hochzeitsmarsch. Da das nicht meine Party war und der Hochzeitsfotograf bestimmt keine struppigen, verschwitzten Radler auf seinen Bildern haben wollte, machte ich mich schnell vom Acker. Dieter folgte kurz darauf und wenig später waren wir wieder auf der E10. Ein Gedanke ließ mich dabei nicht los: Wer hat sich die Stretchlimo gewünscht? Welche Absicht steckte hinter dieser automobilen Schwanzverlängerung? Und: Führt das nicht automatisch zu Enttäuschungen in der Hochzeitsnacht? Aber vielleicht sollte man sich da an Freud halten: Manchmal ist eine Stretchlimousine wirklich nur eine Stretchlimousine.

Zum Glück lenkte mich die Straße bald von derart völlig unangemessenen und unbedingt zurückzuweisenden Gedanken ab. Vor uns lag der knapp 2 km langer Tunnel zwischen Vestvågøya und Moskenesøya, der unter dem Meer verlief. Im Prinzip eine kleinere Ausgabe des Nordkapptunnels. Also zuerst steil bergab, dann steil bergauf. Ich fuhr auf dem erhöhten Seitenstreifen und erwischte gleich auch ein fieses Schlagloch. Der Lärm der Autos und die feuchte Kälte machte es nicht besser. Als es hinter dem Tunnel aber auch noch ins Landesinnere ging, war meine Lust aufs Radeln schon heftig angekratzt. Ich wollte nur noch auf den nächsten Campingplatz und unter eine heiße Dusche. Wir statteten der lobend erwähnten Kirche in Flakstad einen kurzen Besuch ab, waren wenig beeindruckt und rollten kurz darauf auf dem wenige 100 m entfernt liegenden Campingplatz ein. Die heiße Dusche war nur lauwarm, wirkte aber trotzdem Wunder. Der einfach gehaltene Platz verströmte ein authentisch nordisches Flair. Der Boden sandig, die Brandung wild und im Rücken riesige schwarze Felswände, die schon nach wenigen Metern von den tief hängenden Wolken verschluckt wurden. Neben uns zeltete eine französische Pfadfindergruppe. Ich hörte begeistert zu, als jemand gekonnt einen dieser vielstrophigen bretonischen Zwiegesänge anstimmte. Versöhnt konnte ich schlafen gehen.

 

Strecke: 62 km

Durchschnittsgeschwindigkeit: 16,97 km/h

 

2. 8. Å

In der Nacht regnete es. Am nächsten Morgen war alles nass, so dass wir wenig Lust auf ein Frühstück mit anschließend nassem Hosenboden verspürten. Wir packten die wichtigsten Sachen (Foto, Geld) zusammen und fuhren zurück Richtung Nusfjord. Gestern hatten wir keine Lust mehr auf einen Abstecher in diesen Museumsort, heute aber war er die ideal Eröffnung. Das schwere Gepäck blieb am Campingplatz zurück. Die Strecke erwies sich wieder einmal als sehr malerisch. Der Ort ist seit 1975 UNESCO-Weltkulturerbe und ist wirklich nett hergerichtet. Nur wirkt er eben auch ein bisschen leblos. Außer den Touris bewegt sich hier wenig. Wir trafen noch einen 70 Jahre alten Reiseradler aus Oslo, der nun auf seine alten Tage durch die Lande fährt. Es wirkte ein wenig so, als ob er mit seiner Pensionierung nach 52 Jahren (Automechaniker, Krankenpfleger) nicht ganz einverstanden war.

Nachdem wir uns mit Kaffee und Keksen gestärkt hatten, ging es wieder 15 km zurück zum Campingplatz, wo wir unser Lager abbrachen. Anschließend weiter auf Südkurs die E10 runter Richtung Å. Das Wetter war recht wechselhaft. Mal ein paar Flecken Sonne, dann wieder dichter Nieselnebelregen. Immer aber sehr tiefhängende Wolken, die sämtliche Bergspitzen verdeckten. Es regnete nie richtig; irgendwann war mein Anorak dennoch völlig durchnässt. Entnervt packte ich den Regenponcho aus und zog ihn über, nur um ihn nach fünf Minuten (mittlerweile wieder schönster Sonnenschein) auf die Gepäckrolle zu schnallen. In Hamnøya gab es für jeden einen super-leckeren Fischburger. Auf der Theke lagen auch ein paar Stückchen geräuchertes Walfleisch. Schmackhaft – Konsistenz wie Schinken, deutliche Wildnote.

Auch wenn das Wetter durchwachsen blieb, hielt uns das nicht vom Fotografieren ab. Denn die Landschaft wurde immer noch spektakulärer. Zweifelsohne waren wir nun in dem Teil, der als Stereotyp für die Lofoten herhalten muss. Die Berge wurden noch steiler und scharfkantiger, die Straßen noch kurviger und welliger. Drei Tunnel lagen auf unserer Strecke. Sie können aber alle über alte Nebenstraßen umfahren werden. Sehr angenehm. In Moskenes waren wir ein wenig erstaunt, dass es sich im Wesentlichen nur um den Fährhafen handelt. Sonst gibt es hier nur einen Autoverleih. Sehr nett dagegen Å, die Endstation an der E10. Mit dieser Einschätzung waren wir nicht die einzigen. Der Ort war gut ausgebucht. Da wir für die nächsten Tage gerne ein festes Dach über den Köpfen haben wollten, entschieden wir uns letztlich für eine Kombilösung aus zwei Tage Rorbuer (mietbare Fischerhütten) und zwei Tage Hostel. Gute Entscheidung. Unsere Rorbu ist sehr komfortabel, verfügt über eine Küche und eine wirklich heiße Dusche. Nicht zu vergessen die Hausmöwe, die ständig auf der Veranda Wache hält. Nur schade, dass sie ein bisschen feige und blöde ist. Hingeworfene Brotkrumen verteidigt sie zwar mit lautem Gezeter gegen Artgenossen, traut sich aber nicht, sie sich selbst zu holen, solange man noch näher als 3 m dran steht. Gerade als ich diese Zeilen tippe, schaut sie mich vorwurfsvoll an. Vielleicht ist sie doch nicht blöde, sondern nur ein gefiederter Angsthase.

Strecke: 66 km

Durchschnittsgeschwindigkeit: 17,51 km/h

 

3. 8. in und um Å

Faulenzertag. Herrlich ausgeschlafen und in aller Ruhe gefrühstückt. Bei Sonnenschein ein bisschen die Umgebung erkundet, während Dieter seine Bilder sortiert hat. Später dann nach Moskenes, um die Fährzeiten für die Überfahrt nach Bodø in drei Tagen zu erfahren. Mordsrummel beim Ent- und Beladen der Fähre. Anschließend nach Reine. Weitere Fotos von der typischen Lofotenszenerie geschossen. Einkaufen, zurückfahren, entspannen, später kochen. Kurz: Urlaub.

 Strecke: 24 km

 

4. 8. in und um Å


Wieder herrlich geschlafen in unserer Fischerhütte. Da heute unser Wechsel ins Hostel anstand, packten wir recht zeitig alles zusammen. Zum Frühstück gab es ein Bolognese-Tütenfutter mit frischem Hackfleisch. Eigentlich war das gestern als Abendessen gedacht gewesen. Doch Dieter hatte im Hafen Bekanntschaft mit einer Gruppe österreichischer Hobbyfischer gemacht und zwei große Makrelen geschenkt bekommen. Keine Frage, dass die zuerst in die Pfanne mussten. Hobbyfischer ist wahrscheinlich ein kleine Untertreibung für die Österreicher. Sie fahren zweimal am Tag mit mehreren Booten raus und angeln das Meer leer. Den restlichen Tag verbringen sie mit putzen, ausnehmen und einfrieren. Mir kommen sie eher wie der k.u.k. Hochseefischereiverband auf Betriebsausflug vor.

Nach unserem sättigenden Frühstück stellten wir unser Gepäck beim Rezeptionisten unter und machten uns auf den Weg, unseren ersten Lofotengipfel zu erklimmen. Die Wege waren unmarkiert, aber meist gut sichtbar. Obwohl ein Weg in meiner Karte eingezeichnet ist, war ich mir nicht sicher, ob wie überhaupt bis zum Gipfel kommen würden. War aber kein Problem. Lediglich ein Kammstück unterhalb des Gipfels ließ mich ob seiner Ausgesetztheit kurz zögern. Auch auf dem Gipfel hatte ich zunächst mit einigen Höhenangstattacken zu kämpfen. Nachdem diese aber unter Kontrolle gebracht waren, konnte ich mich am Panorama gar nicht mehr satt sehen. Der Tindenstinden hat gerade mal 490 m, bietet aber in seiner Umgebung einen Ausblick wie im Hochgebirge. Und das bei strahlendstem Sonnenschein. Ich gehe so weit und behaupte: Wer die Lofoten nicht von oben gesehen hat, hat sie nicht wirklich erlebt.

 

5. 8. in Å

Letzter regulärer Tag auf den Lofoten. Wir haben ohne Wecker wunderbar bis 10 Uhr ausgeschlafen. Beim Aufstehen dann erst einmal die Überraschung: ein fieser Muskelkater in den Oberschenkeln, Teilen des Rückens sowie den Armen. Wir waren beide davon ausgegangen, dass wir mittlerweile halbwegs trainiert sind. Es macht aber doch einen Unterschied, ob man Pedale nach unten tritt oder am Berg das eigene Körpergewicht nach oben drückt. Da es aber eh ein regnerischer Tag werden sollten, beschlossen wir, es in Å ruhig angehen zu lassen. Nach dem Frühstück trafen wir Jonathan wieder, der nach einem langen Hike heute die Fähre nach Bodø nahm. Wir verabschiedeten uns und Dieter machte sich daran, seine Freunde via Facebook auf den neuesten Stand zu bringen. Ich nutzte die Zeit, um in der noch vorhandenen Sonne zu dösen. Als der Regen einsetzte, kauften wir Tickets für das Museum von Å und lernten in den nächsten Stunden das Wichtigste zu Kabeljaufang, Trockenfisch und lokaler Geschichte. War wirklich spannend. Wer hätte zum Beispiel gedacht, dass Lebertran früher ein wichtiger Rohstoff für die Sprengstoffherstellung war? Muss mir dazu unbedingt ein paar Detailinfos besorgen. Vielleicht kann man ja auch andere ungenießbare Sachen sinnvoll einsetzen. Ein Auberginenfeuerwerk wäre da so eine erste Idee.

Interessant waren auch die Informationen zu den Fanquoten, deren Umsetzung und gelegentliche Missachtung. Zusammen mit dem sich offenbar verstärkendem Golfstrom (Laichgebiete aufgrund der wärmeren Wassers nun weiter nördlich) und dem erwarteten Meerespegelanstieg um bis zu 50 m in den nächsten 100 Jahren sind die Lofoten längst nicht mehr soweit abseits des Weltgeschehens.

Mittlerweile regnet es draußen richtig. Das macht mir den Abschied ein bisschen leichter. Morgen geht es nur noch ums Packen, dann um 14 Uhr die Fähre nach Bodø und dort am Flughafen noch einmal alles umpacken. Mit dem Wetter hatte ich unglaubliches Glück. Während die Einheimischen von einem der schlechtesten Sommer der letzten Jahre sprechen, hatte ich bis auf 2,5 Regentage durchgehend bestes Wetter. Auch die Temperaturen von meist unter 20 °C waren ideal zum Radeln. Doch, auf die Lofoten komme ich sehr gerne wieder. Nächstes mal vielleicht mit einem größeren Schwerpunkt auf Wanderungen.

 

 

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