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14. Tag, Donnerstag, 16. Juni - nach Druskininkai (Litauen)


Ui, das war ein Tag. Los ging es ähnlich wie gestern. Mit Hämmern um Punkt sechs Uhr früh. Wahrscheinlich endet die Nachtruhe in Polen einfach früher. No problem, diesmal gab es eine Balkontür, die ich schließen konnte, um mich dann in dem äußerst luxuriösen Riesendoppelbett noch zweieinhalb mal umzudrehen. Überhaupt die Unterkunft: War als Jugendherberge im Navi eingetragen, tatsächlich aber eine neue, edle Radlerherberge. Habe mich sehr wohl gefühlt. Dass die Besitzer lediglich einige wenige Worte Deutsch (Englisch gar nicht) sprachen, trug nur zum Charme bei. Auch die ca. 16-köpfige deutsche Radlergruppe, die Masuren erkunden wollte, sah das so.

Dennoch: Nach dem Frühstück galt es einige Kilometer runterzureißen. Zuerst ging es über ruhige „Hauptstraßen“ in dem bereits gewohnten masurischen Auf und Ab. Das Wetter war angenehm, sah aber etwas nach Regen aus. Erst nachdem ich mich mittags in Suwalki mit O-Saft, Obst, White Lion (eh klar) und Zigaretten (erste Schachtel seit der Abfahrt) versorgt hatte, riss die Wolkendecke auf und die Sonne kam durch. Nicht besonders heiß, aber der UV-Anteil war spürbar. Weiter ging es durch den Równina-Naturpark – leider größtenteils auf einer stärker befahrenen Straße. Nach Sejny wurde es dann ruhiger. Seltsam, eigentlich hätte ich in Grenznähe eher mehr Verkehr erwartet.  

Zwengs polnisch-litauische Grenze: War gar nicht so einfach, sie zu finden. Ich fragte eine Polizeipatrouille nach dem in der Karte verzeichneten Grenzort. Kannten sie nicht. Erst nachdem wir uns im polnisch-englisch-deutschem Kauderwelsch auf Litauen geeinigt hatten, konnten sie mir den richtigen Weg zeigen. Und wahrlich: 10 km weiter nördlich stieß ich auf die Überreste eines ehemals ziemlich großen Grenzübergangs. Zig Spuren für Trucks, Caravans, PKW – und weit und breit kein einziges Fahrzeug geschweige denn ein Mensch. Schengen rules :-) Direkt nach der Grenze machte ich eine kurze Pause, lud die Litauenkarte aufs Navi und entdeckte dabei, dass ich eigentlich direkt bei der Polizeistreife über die grüne Grenze hätte fahren können. Als ich gerade meinen Kram zusammenpackte, kam ein Reiseradler aus litauischer Richtung vorbei. Ein Engländer, der aber in Frankreich lebt. Seltsam: Warum betonen alle englischen Radler, die ich in den letzten Jahren traf, dass sie nicht in England leben? Wir haben uns über Routen und Straßenverhältnisse unterhalten. Er wies mich noch auf die litauischen Schotterpisten hin. Ich meinte nur, die kenne ich schon. Ja ja, ich und meine große Klappe. Um möglichst schnell nach Druskininkai zu kommen, wählte ich eben so eine. Nur 11 km bis Petroškai. Sollte hart werden. Ausgeprägte Waschbrettstruktur mit tiefen Sandrändern an den Seiten. Dazu das übliche Auf und Ab. Vor allem bergab gewinnt man mit 40 km/h eine ganz andere Sicht auf die Welt. Alles wird stroboskopartig in Einzelbilder zerhackt, die das Gehirn ein paar Millisekunden zu spät erreichen, um noch reagieren zu können. Da bleibt, nur den Lenker so fest wie möglich zu halten und zu hoffen, dass es vorbei ist, bevor was passiert. Immerhin: Meiner Kamera hat die Rüttelpartie gut getan. Seit einem Sturz in Grudziadz überlegte sie gut eine Sekunde, ob sie wirklich ein Bild machen solle. Jetzt tut sie es wieder so, wie sie soll. Irgendwann war auch dieses Stück vorbei und ich schwor mir, keine weiteren Kiespisten im Baltikum als Abkürzung zu benutzen.

Bis Druskininkai blieben nun nur noch 28 km, die dank Gefälle recht schnell bewältigt wurden. Lediglich der Campingplatz musste noch gefunden werden. Ausgeschildert war ein Caravan-only-Platz. Mir schwante schon Übles, musste ich doch automatisch an den sensationellen Platz in Kaunas denken: 30 x 40 m Betonplatte direkt neben der Haupteinfallsstraße. Zudem eingezäunt wie ein Gebrauchtwagenhändler, der hinausschreien will: „Bitte klaut was, damit ich wenigstens die Versicherung abzocken kann.“ Welch angenehme Überraschung, als ich ankam: Ein 4-Sterne-Campingplatz mit blitzblanken Duschen, angenehm ruhig gelegen und sogar Waschmaschinen. Morgen wird daher ein Ruhetag eingelegt. Großer Waschtag, Knochen schonen bzw. regenerieren, endlich Grutas besuchen und fotografieren sowie nach Möglichkeit die fehlende Karte für Nordlitauen besorgen.

Ein Fazit noch zu Polen: Die ersten Tage war ich wirklich angepisst zwengs der Verkehrslage. Daran bin ich mit meiner 1:600.000-Karte aber nicht ganz unschuldig. Wollte jemand mit der ADAC-Generalkarte Deutschland mit dem Rad durchqueren, fiele sein Urteil ähnlich vernichtend aus. Polen hat wunderschöne Flecken, nicht alleine in Masuren. Nur braucht es eben auch die geeigneten Karten, sie zu erfahren. Der einzige Makel der bleibt: Außerhalb größerer Städte gibt es keine Plätze, um mal Pause zu machen. Keine Bank, kein Picknickplatz, um mal kurz auszuspannen. Litauen ist da ganz anders. So komisch es klingt: Es wirkt mitteleuropäischer. 

Distanz: 161 km

Durchschnittsgeschwindigkeit: 20,1 km/h
 
 

15. Tag, Freitag, 17.Juni - in Druskininkai

 Habe heute herrlich ausgeschlafen und bin erst um neun aus dem Zelt gekrochen. Der Tag begann dann genau so, wie ich mir das vorgestellt habe. Kurz in die Stadt und im erstbesten Buchladen genau die fehlenden Litauenkarten bekommen, die ich wollte. Anschließend Wäsche waschen, aufhängen und auf zum rund sieben Kilometer entfernten Grutas-Park.

Für alle, die nicht wissen, was es damit auf sich hat: Der Grutas-Park wurde 2001 von einem nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion reich gewordenen Pilzgroßhändler gegründet. Er kaufte alle möglichen „abgerissenen“ Statuen aus der Sowjetzeit auf und versammelte sie in einem nachgebauten Gulag. Sein Vater war während der Stalin-Ära selbst sechs Jahre interniert. Insofern ist sein Anliegen, diese dunkle Zeit nicht vergessen zu lassen, glaubhaft. Trotzdem gab es von Anfang an heftigen Widerstand gegen „Stalinworld“, wie das Projekt im Volksmund bald hieß. Tatsächlich ist die Präsentation durchaus fragwürdig. Einerseits werden auf Infotafeln die Verbrechen an der litauischen Bevölkerung ausführlich dokumentiert. Andererseits erinnert das Ambiente schon ein bisschen an ein düsteres Disneyworld. Freundliche junge Damen in Pioniersuniformen empfangen die Besucher und bedienen sie im Café auf Wunsch mit Spezialitäten aus der damaligen Zeit. Hauptsächlich russische Häppchen – immer mit Wodka. Auch der quietschbunt gehaltene Kinderspielplatz steht im krassen Gegensatz zu den Wachtürmen, dem Stacheldraht und den grimmigen Helden der Oktoberrevolution und späteren NKWD-Kadern. Der Plan, Besucher in Druskininkai mit original Deportationsviehwagons abzuholen, musste nach Protesten der Stadtverwaltung aufgegeben werden. Ich halte das Projekt dennoch für gelungen. Oder besser gesagt: Mir vermittelte es ein grobes Gefühl für die Ohnmacht, das Ausgeliefertsein in dieser steinernen Zeit. Orwells „1984“ – eines der für mich eindrucksvollsten Werke des 20. Jahrhunderts – erscheint in einem anderen, realistischeren Licht. Diese Wirkung hat der Grutas-Park aber nicht für jeden. Laut Zeitungsberichten ist er gerade auch bei Hochzeitspaaren beliebt, um sich vor Lenin- und Stalin-Statuen ablichten zu lassen. Ganz wie in der „guten alten Zeit“.

Doch das nur zum Hintergrund. Als ich den Parcour etwa zur Hälfte absolviert hatte, wurde es düsterer und düsterer. In der Ferne war seit längerem Gewittergrollen zu hören. Und dann ging es auch schlagartig los. Heftiger Platzregen, Blitz und Donner. Anfangs suchte ich noch Schutz in einem der nachgebauten Notunterkünfte des Gulags. Als die Einschläge immer näher kamen, der letzte gefühlt keine hundert Meter entfernt, flüchtete ich total durchnässt in das Café. Dort gönnte ich mir ein spätes Mittagessen und beobachtete mit Sorge den immer heftiger werdenden Sturzregen. Denn natürlich hatte ich keinerlei Regenklamotten dabei. Wozu auch, war ja die letzten zwei Wochen immer sonnig und trocken. Keine Ahnung, wie ich zurück kommen sollte, ohne mir zumindest eine heftige Erkältung einzufangen. Und dann war da ja auch noch meine gesamte zum Trocknen aufgehängte Wäsche. Ohne Wäscheklammern war die bestimmt schon in alle Winde verweht. Ja, das Leben kann schon grausam sein zu einem Wohlstandstouristen, der sich in einem eintrittspflichtigen Gulag mit Gratisaustritt gruseln will.

Natürlich hörte das Unwetter bald wieder auf. Natürlich bin ich trocken zum Campingplatz zurück gekommen. Natürlich war meine Wäsche klatschnass und in der näheren Umgebung verteilt. Ich sammelte sie also auf, wusch sie nochmal durch und verbrachte den Rest des Nachmittags damit, ihr beim Nichttrocknen zuzusehen. Gegen Abend brach sogar kurz die Sonne durch die niedrige Wolkendecke und veranlasste mich, wenigstens die Radlklamotten für morgen alle paar Minuten taktisch umzuhängen. Mittlerweile ist es 22:30 (osteuropäische Zeit), taghell und es sieht wieder nach Regen aus. Wurscht. Beim zweiten Bier halte ich es ganz mit dem von mir verehrten Meister Bashô, der in einem seiner Haikus sinngemäß meint: „Das ist ein Problem von morgen.“
 

Distanz: keine (irgendwas um die 30 km)

Durchschnittsgeschwindigkeit: 18,1 km/h
 


16. Tag, Samstag, 18. Juni - nach Birštonas (Litauen)


Nach einer stürmischen und regnerischen Nacht wachte ich irgendwann auf – geweckt durch erregtes Stimmengewirr. Schade, ich hätte durchaus noch ein bisschen weiterschlafen können. Aber wenn die anderen Camper auch schon wach sind … Nur aus Interesse warf ich einen Blick auf meine Uhr: 04:43 h. Ja sind denn hier alle irrsinnig. Erst da fiel mir auf, dass es sich ausschließlich um jugendliche Stimmen handelte. Offenbar die Gruppe, die gestern abend in das Tipi-Dorf auf dem Campingplatz gezogen ist und wie wohl jede andere Jugendgruppe beim Zelten auch die erste Nacht durchzumachen gedachte. Ok, dann kann ich ja weiterschlafen. Richtig erwachte ich erst gegen neun, als wirklich der gesamte Platz auf den Beinen war.

Der Himmel war strahlend blau und das Gras dampfte in der warmen Sonne nur so vor sich hin. Noch vor dem Frühstück breitete ich meine Klamotten von gestern zum Trocknen aus. Später kam noch das Zelt hinzu. Bis endlich alles trocken war, schlug es bald zwölf. Höchste Zeit aufzubrechen. Auf ruhigen Nebenstraßen kam ich gut voran. Lediglich einige happige Steigungen galt es zu bewältigen, da die Route immer wieder zur Memel hinunter und dann auf das Plateau hoch führte, in dass sie sich in Äonen hineingefressen hat. Als Gegenleistung gab es immer wieder spektakuläre Ausblicke auf diesen Strom. Besonders beeindruckend fand ich den Zufluss des Merkys bei Merkinė. Von dort nach Alytus nahm der Verkehr etwas zu, war aber immer noch erträglich. In Alytus selbst wurden noch einmal Schokoriegel und O-Saft nachgetankt, um dann ganz gemütlich die letzten 30 km zu fahren. Daraus wurde leider nichts, denn es begann heftig zu regnen. Da ich erstmals mit dem neuen Regenponcho unterwegs war, musste ich mich erst an dessen Handhabung gewöhnen. So kam ich nur langsam und ziemlich nass voran. Endlich wurde mein Tagesziel angezeigt: Prienai 1 km. Leider stellte sich dieses Bezirkszentrum als ziemlich tote Angelegenheit dar. Weder der in der Karte verzeichnete Campinplatz noch das oder die Hotels waren zu finden. Die Unterhaltung mit einer Einheimischen auf Händisch und Füßisch war zwar lustig, führte aber leider zu keinem brauchbaren Hinweis. Anders der eine Mann, der meine Frage „Hotel? Pensionas?“ nur mit einem knappen „Bryschtonnas pensionas!" quittierte und mit einer handkantenschlagähnlichen Bewegung die Straße entlang wies. Ich dachte zuerst, Bryschtonnas sei eine mir unbekannte litauische Vokabel (nicht dass es mehr als eine Handvoll bekannte gäbe) und er wolle mich nur loswerden.

Tatsächlich wies er mir aber den Weg zum Nachbarort Brištonas, wo es sowohl einen Campingplatz als auch mindestens ein Hotel gibt. Ich folgte zunächst einem dieser blau-weiß-schwarzen Verkehrsschilder mit gemachtem Bett und stand plötzlich vor einem Mordskomplex von Hotel. Es nennt sich Brištonas Royal Residence, wirbt mit mehreren Restaurants und einem überaus umfangreichen Spa-Angebot. Freilich: Das ganze Wellness-G'schmarre ist eigentlich überhaupt nicht meine Welt. Aber wenn ich für eine heiße Dusche und ein trockenes Bett noch einen ayurvedischen Ölwechsel über mich ergehen lassen muss – dann muss das halt sein. Und wahrscheinlich konnte ich mir hier nicht mal ein Glas linksgerührtes Magnetwasser leisten. Halb aus Neugierde, halb in verzweifelter Hoffnung, doch noch zu einer Unterkunft zu kommen, schlurfte ich mit meinem triefenden Poncho und den sandverklebten Stiefeln und Hosenbeinen zur Rezeption. Nein, ein Zimmer für eine Nacht sei selbstverständlich gar kein Problem. Fahrradgäste würden hier oft vorbeikommen. Etwas baff, aber doch sehr erfreut entschied ich mich für das einfachste Zimmer. Das gibt es mit Frühstück und Poolnutzung für 144 Litai (ca. 42 Euro). Wow, bin begeistert. Vielleicht regnet es morgen ja wieder und ich „muss“ noch eine Nacht hierbleiben. :-)


Distanz: 111 km

Durchschnittsgeschwindigkeit: 19,3 km/h
 


17. Tag, Sonntag, 19. Juni - in Birštonas


Glück gehabt: Es regnet und ich bleibe noch eine Nacht. Zeit, ein paar Sachen im Netz zu erledigen und ansonsten die Füße hochzulegen. Morgen soll es zwar noch mehr regnen, aber - Ihr ahnt es - das ist ein Problem von morgen.


Distanz: 0 km

Durchschnittsgeschwindigkeit: weit unter 4 km/h

  

18. Tag, Montag, 20. Juni - nach Kėdnainiai

Die Nacht über hatte es heftig geregnet, aber morgens erstrahlte der Himmel im reinsten Blau. Nach einem gemächlichen Frühstück ging es gegen halb zehn wieder auf die Piste. Erst einmal auf ruhigen Nebenstraßen ins etwas 35 km entfernte Kaunas. Den Weg durch Kaunas – mit ca.350.000 Einwohnern immerhin die zweitgrößte Stadt Litauens – zu finden, war einfacher, als ich befürchtete. Ich erkannte sogar die ein oder andere Stelle von meiner 2008-er Baltikumtour wieder. Am frühen Nachmittag verfinsterte sich der vorher so makellose Himmel rasch. Es sollte also doch noch zum angedrohten Regen kommen. Bis es jedoch endlich soweit war, hatte ich mich bestimmt vier oder fünfmal in ein Ganzkörperkondom verwandelt. Letzten Endes hatte ich die Faxen dick und behielt die Regenhose und -Schuhe an. Lediglich den Poncho warf ich erst über, wenn es wirklich nötig wurde. Für meine Ausdauer wurde ich dann auch mit einem ordentlichen, 90-minütigem Regenguss belohnt. Im Nachhinein muss ich sagen: Das Regenzeug funktioniert hervorragend. Vor allem die Kolobrihose ist jeden Cent wert. Sie wird in Norwegen sicher auch bei Kälte gute Dienste leisten.

Nach dem Regen stellte sich die Frage, ob Kėdainiai als Tagesziel genügt oder Penevėžys noch gepackt werden muss. Da letzteres aber auf über 170 km hinausgelaufen wäre, entschied ich mich für ersteres und einen gemütlichen Stadtbummel in der verbleibenden Zeit. Kėdainiai ist ein nettes Städtchen. Wirkt wie so viele litauische Kleinstädte ziemlich südländisch. Dennoch macht sich die nördliche Lage allmählich bemerkbar. Es ist jetzt viertel vor elf und wirkt doch wie kurz nach sieben. Ist schwer, da rechtzeitig ins Bett zu finden. Von meinem ursprünglichen Plan, morgen bereits nach Lettland zu fahren, habe ich Abstand genommen, da auf lettischer Seite keine Campingplätze oder sonstigen Übernachtungsmöglichkeiten in Reichweite sind. Stattdessen werde ich bis Biržai fahren und es mir dort gut gehen lassen. Warum auch nicht? Mit meinen Tagesleistungen bin ich mittlerweile recht zufrieden.

Ach ja, meinen ersten litauischen Geocache habe ich heute auch noch mitgenommen. Da das Logbuch in dem alufolienvarpackten (WTF?) Überraschungsei klatschnass war, konnte ich den Fund nicht vor Ort loggen.


Distanz: 111 km

Durchschnittsgeschwindigkeit: 18,7 km/h

 

19. Tag, Dienstag, 21. Juni - nach  Biržai


Fühle mich ein wenig gerädert. Gestern zu spät ins Bett und heute doch eine etwas anspruchsvollere Etappe. Letzteres lag auch an dem vorherrschenden Aprilwetter. Morgens beim Start wolkenverhangener Himmel, dann strahlender Sonnenschein, dann Regen, dann wieder von vorne. Den ersten Regenguss habe ich gemütlich in einer Bushaltestelle abgewartet, den zweiten (eher leichter Landregen) locker durchfahren, nur der dritte und letzte hat mich eiskalt auf offenem Feld erwischt. Ein paar Minuten zuvor dachte ich noch, dass die schwarze Wolkenfront nichts Gutes verheißt, aber zum Glück ja noch weit weg ist. Kurz darauf wehen mich Sturmböen fast vom Rad. Ich werfe mir rasch den Poncho über und überlege noch, wie ich jetzt auf die Schnelle die Regenhose an bekomme (mit Schuhen ist das leider immer eine kleine akrobatische Übung), da prasselt es auch schon herunter. Ich schiebe das Rad weg vom Straßenrand auf ein Feld und setze mich selbst in die Hocke, um möglichst ganz vom Poncho bedeckt zu sein. Schon nach kurzer Zeit schmerzen die Knie derart, dass ich in eine halbgebückte Stellung überging, die sich aber auch nicht lange aushalten ließ. Also wieder in die Hocke, diesmal aber die Unterarme als Stütze zwischen Waden und Oberschenkel. Etc. etc. So unbequem das Ganze war, hätte ich davon doch zu gerne ein Video von der Aktion. Muss ausgesehen haben, als ob eine ziemlich verklemmte Gestalt mit wirklich ernsten Verdauungsschwierigkeiten einen Platzregen nutzen wollte, um auf freiem Feld sein Geschäft zu verrichten.

Von diesem Highlight abgesehen gibt es wenig zu berichten. Die Straßen waren angenehm autofrei und führten teilweise durch rauschende Birkenwälder. Dazwischen immer wieder die leuchtenden Rapsfelder unter dunkelgrauem Himmel. Ich hoffe, der Kontrast kommt auf den Bildern gut rüber. Leider lässt sich die Farb- und Kontrastqualität mit dem Netbook-Bildschirm nur grob einschätzen.

Morgen geht es dann endgültig nach Lettland. Riga werde ich umfahren. Zum einen viel zu groß und hektisch. Zum anderen würde ich sicher wieder ein paar Tage dort „vertrödeln“, wäre ich erst einmal dort. Schon alleine der gigantische Markt würde das rechtfertigen.

Ach, jetzt hätte ich doch fast meine Unterkunft vergessen. Nachdem ich bei der Tourist Information nach einer günstigen Übernachtungsgelegenheit gefragt habe, bin ich in einer Art ausgebauten Gartenhütte für 40 Litas gelandet. Recht rustikal, aber nicht ohne Charme. Direkt am See gelegen und mit Blick auf die Ordensburg (glaub ich) von Biržai. Hin und wieder habe ich sogar Internetzugriff über ein ungesichertes WLAN in der Nachbarschaft :-)

Distanz: 135 km

Durchschnittsgeschwindigkeit: 21,3 km/h

 

 

20. Tag, Mittwoch, 22. Juni – bis Sigulda (Lettland)

Bin gut nach Lettland reingekommen – und schon fast zur Hälfte durch. Irgendwie hatte ich da von 2008 andere Dimensionen in Erinnerung. Kann aber auch die immer noch nachwirkende Erfahrung von Kap Kolka und seiner 40-km-Schotterpiste sein. Egal, heute gab es nur ein knappes Dutzend Schotterkilometer und das ohne die so nerven- und fahrradzerrüttenden Waschbretter. Genaugenommen habe ich von der Strecke kaum etwas mitbekommen, da mich ein paar Hörbücher mental abtauchen ließen. Erst „Der Großinquisitor“ aus „Die Brüder Kamarasow“ und dann einige Erzählungen von Theodore Sturgeon. Vor allem sein „It“ (intelligente, neugierige, aber amoralische Lebensform versucht die Welt zu verstehen, indem es seine Bewohner in ihre Bestandteile zerlegt) kommt gut, wenn man alleine durch scheinbar endlose Birkenwälder fährt und das letzte menschliche Wesen dieser etwas abgerissene Typ war, der auf eine Axt gestützt mir interessiert nachblickte. Oder habe ich mir das auch nur eingebildet?  

Egal, vor dem inneren Auge ist heute viel abgelaufen, von der äußeren Landschaft habe ich nur wenig mitbekommen. Das soll sich morgen im Gauja-Tal ändern. Vorher muss ich mich bei der Tourist Information noch schlau machen, wie es mit Rad- oder Wanderwegen aussieht. Falls es solche gibt, wird es ein sehr entspannter Tag mit höchstens 70 km und viel Sightseeing. Falls nicht, werde ich die estnische Grenze wohl schon morgen erreichen, aber noch in Lettland übernachten, um zumindest ein paar Devisen loszuwerden.

Das Wetter war übrigens nach den letzten regnerischen Tagen perfekt. Nicht zu warm, nicht zu windig (wenn, dann aus der richtigen Richtung) und die Schwalben fliegen einem auch nicht länger durch die Speichen. So kann es bleiben.

Distanz: 134 km

Durchschnittsgeschwindigkeit: 19,4 km/h


 

21. Tag, Donnerstag, 23. Juni, Jāņi – bis Tuja


Es kam wieder einmal ganz anders als geplant. Kein gemütlicher Bummeltag im Gauja-Tal, kein gutes Wetter, keine knieschonenden 60 km – und doch ist alles bestens.

Nachdem ich morgens kaum aus dem Bett gekommen bin, bremste mich das Wetter gleich weiter aus. Tiefhängende Wolken und beständiger, leichter Regen. Das und meinen schweren Beine führten das erste Mal auf der Tour dazu, dass ich absolut keine Lust auf nichts hatte. Bleiben wollte ich nicht, das Gauja-Tal ansehen wollte ich nicht und Richtung Estland aufzubrechen reizte mich auch nicht. Ich hing daher einstweilen in Sigulda rum, tat so, als ob ich die Karten studierte und hatte dabei noch nicht einmal Lust, schlechte Laune zu entwickeln. Irgendwann wurde das langweilig, da ich doch aufbrechen musste. Ich fuhr runter zu Gauja. Und wirklich, das Tal ist es wert, genauer erkundet zu werden. Doch nicht mit einem vollbepackten Rad, in voller Regenmontur, ständigem Nieseln und fast 20 °C. Ich war im Nu klatschnass geschwitzt und wurde von fetten Mücken genüsslich ausgezuzelt. Nichts wie weg hier.

Auf der anderen Seite des Tals wartete eine 11-prozentige Steigung, die in einer Viertelstunde Geschiebe endete. Oben angekommen fühlte ich mich wie nach 150 km und hatte endgültig die Schnauze voll: von Sigulda, dem Gauja-Tal, dem Wetter und vor allem von mir. Ich beschloss, ins 50 km nahe Limpazi zu fahren, mir dort ein Zimmer zu nehmen und bis morgen früh durchzupennen. Die Fahrt war keine große Sache. Sogar die Sonne kam wieder hervor. In Limpazi angekommen dämmerte mir, dass ich etwas Entscheidendes vergessen hatte. Die Straßen waren nahezu menschenleer. Die Tourist Info hatte geschlossen. Unterwegs waren mir ungewöhlich viele Menschen in den Feldern beim Blumenpflücken aufgefallen. An den Straßenständen verkauften eichenlaubbekränzte Frauen eben solche Kränze. Und selbst die Autos war mit Eichenlaub geschmückt. Na klar, heute feiert das gesamte Baltikum Mittsommer. In Limpazi war keine Unterkunft aufzutreiben. Ich stieß zwar auf ein Hotel, das aber völlig ausgebucht war. Kein Wunder, direkt davor hatte man ein riesiges Freilufttheater errichtet. Auf der 20-30 m breiten Bühne gaben ein Frauen- und ein Männerchor lettische Lieder zum besten. Sehr beeindruckend, tolle Melodien und stimmgewaltig vorgetragen. Ich wäre wirklich gerne geblieben, musste nun aber zum nächstgelegenen Campingplatz. Der lag rund 25 km westlich. Eigentlich kein Problem, wenn der Westwind nicht auf 6+ Beaufort aufgefrischt hätte. Es folgte einen zähe Treterei mit tief gesenktem Kopf, den Blick starr auf den Seitenstreifen gerichtet, um in so etwas wie eine Fahrradtrance zu fallen. Die Methode hat schon öfter funktioniert. Ist ähnlich wie mit Musik. Der Kopf wird abgelenkt, beachtet nicht länger den nur sehr langsam hochzählenden Kilometerstand und die Beine werden nicht durch defätistische Einwürfe des Großhirn („Das wird doch nie was. Geht’s vielleicht noch ein bisschen langsamer? Seid ihr Muskeln oder Memmen?“ etc. etc.) gestört. Der Preis, den man dafür bezahlt, sind mehr oder weniger abseitige Gedankenspiele. So fragte ich mich, ob Lucky Luke wirklich so clever ist, wie er immer tut. Warum z.B. reitet er nach einem bestandenem Abenteuer immer in den Sonnenuntergang raus in die Prärie. Wasser gibt es dort kaum. Und zumindest die eine Nacht könnte er doch bequem im Saloon oder bei den von ihm geretteten Farmern unterkommen. Und Jolly Jumper wäre es sicher auch lieber, im warmen Stall etwas Hafer zu futtern, als nach Feierabend ziellos über Stock und Stein zu stolpern. Seltsam ist dabei auch, dass Goscinny bei Asterix durchaus zeigt, wie ein Abenteuer stilecht enden kann. Ob er bei Luke da irgendwas zu kompensieren versucht? Eine Antwort auf die Frage fand ich heute leider nicht, da ich plötzlich am Ziel war: Kleiner Campingplatz mit Bar, Plumpsklo, einer großen Holzpyramide fürs spätere Abfackeln und direkt an der Ostsee gelegen (endlich). Perfekt! Nachdem ich mein Zelt aufgebaut hatte, kam sogar die Sonne wieder hervor. Der kräftige Wind bläst aber weiter. Jetzt, um kurz nach halb elf ist die Sonne endlich untergegangen und draußen vorm Zelt hört man das Sonnwendfeuer prasseln. Ich werde mir das Spektakel noch auf ein Bier ansehen und dann schlafen gehen. Meine üblichen Schlafenszeiten halte ich bei dem aktuellen Lebenswandel einfach nicht mehr durch. Bedenklich? Ja, in einem absolut positiven Sinn.

Distanz: 90 km

Durchschnittsgeschwindigkeit: 16,7 km/h
 
 

22. Tag, Freitag, 24, Juni – bis Pärnu (Estland)

Habe prima geschlafen und von den Feierlichkeiten so gut wie nichts mitbekommen. Vielleicht habe ich aber auch ein paar besonders ruhige Letten und Russen erwischt. Denn nachdem ich mich wieder auf den Weg gemacht habe, stellte ich fest, dass es einige ordentlich haben krachen lassen. Da war zum Beispiel der eine, der Kopf nach unten im Straßengraben lag. Sein Kumpel war bereits wach und prüfte wiederholt, ob in der Bierflasche wirklich kein Tropfen drin war. In Salacgriva sah ich mittags einen Mann, der vergebens versuchte, der Richtung der zugegebenermaßen sehr breiten Straße zu folgen. Zwischen drin immer wieder Gruppen von Jugendlichen mit großen Vorräten an Getränken, die schon durch ihre schrillen Farben und den offensichtlich enormen Zuckergehalt schlimme Kater versprachen. Alles in allem scheint Jāņi so etwas wie das Hirsauer Pfingst-Handballturnier (wem auch immer das noch was sagt ;-) zu sein, nur eben landesweit und dass Handball durch große Feuer ersetzt wird. Die Alten hocken sich um die Feuer und singen schöne Weisen. Die Jungen hocken sich um das Feuer, geben sich die Kante und singen – nun ja – auch. Irgendwie.

Großer Vorteil des Ganzen: Die Straßen waren wieder sehr leer. Das Wetter zeigte sich wechselhaft, aber erträglich. Der starke Wind von gestern hatte nachgelassen und ich kam gut voran. Im Nu war ich in Estland (minu salaarmastus) und freute mich über die fantastischen Radwege hier. Guter Belag, schöne Streckenführung und kaum Verkehr. Lediglich die letzten 15 km vor Pärnu nahm der Verkehr wieder zu. Da hatte ich aber schon New Orders „Get ready“ im Ohr und war nicht mehr ganz in dieser Welt. Mit einem 27er-Schnitt bin ich die Hauptstraße entlang gejagt und bemitleidete die Feiertagsmotorisierten, die sich mit dem Gaspedal oder -griff um den ganzen Spaß bringen.

Mehr Sympathie brachte ich da schon den ganzen Beerensammlern am Straßenrand entgegen. Als es immer mehr wurden, wollte ich wissen, was die da eigentlich sammeln und hielt an einer beliebigen Stelle an. Walderdbeeren. Überall Walderdbeeren. Bei uns daheim lohnt es sich ja gar nicht, die kleinen Leckerlis kann man bestenfalls handvoll in den Mund schaufeln. Hier aber gingen vier bis sechs Personen gleichzeitig einen Hang ab und kommen leicht auf zwei bis vier Liter Beeren.

Nachdem ich in Pärnu im erstbesten Hotel (Hansalinn – recht edel) untergekommen bin, folgte noch ein kurzer Stadtbummel. Ich kenne Pärnu noch von meinem Kurztrip im Februar letzten Jahres. Hat mir schon im Winter sehr gut gefallen. Jetzt im Sommer würde ich hier sofort herziehen. Muss aber morgen leider schon weiter.


Distanz: 120 km

Durchschnittsgeschwindigkeit: 21,4 km/h

 

23.Tag, Samstag, 25. Juni – bis Virtsu


Bin gestern abend nach einem Superabendessen nicht vom Rechner weggekommen und erst um halb zwei ins Bett gefallen. Von wegen absolut positiver Lebenswandel. Das habe ich heute bitter gebüßt. Gerade mal 90 km geschafft. Trotz bester Straßen, wenig Verkehr und angenehmer Temperaturen. Dazu den ganzen Tag kein einziger Tropfen Regen, obwohl es die Nacht ununterbrochen geschüttet hat. Ok, der Westwind blies ordentlich und war recht konstant. Wenn ich ehrlich bin, genügt er alleine aber nicht für die schwache Tagesleistung. Andererseits: Warum hetze ich mich eigentlich? Läuft doch alles prima. Die Landschaft ist wunderschön, alles birst nur so vor Leben. Überall schwirren große Libellen. Sogar ein paar Taubenschwänzchen glaube ich gesehen zu haben. Wäre allerdings verdammt weit nördlich. Aus den Wäldern trillert, pfeift und schnattert es, wie ich es daheim noch nie gehört habe. In den Feldern lebt ein besonders interessanter Vogel. Sein Ruf klingt wie eine Mischung aus Krähe und Teichfrosch. Ziemlich schräg und witzig. Groß kann er nicht sein, da sich seine Position schnell ändert.

Unterkunft habe ich heute im Paatsalu Puhkekeskus gefunden, einer Art Feriendorf mit kleinen Hütten zum Übernachten. Sehr nett, nur ein wenig mückig. WiFi gibt’s auch, so dass ich nachher noch versuchen werde, den heutigen Bericht online zu stellen. Aber so spät wie gestern wird es sicher nicht mehr.


Distanz: 90 km

Durchschnittsgeschwindigkeit: 16,7 km/h

 

24. Tag, Sonntag, 26. Juni – bis Tallinn


Ok, das kann man jetzt als Ausgleich für gestern sehen, geplant war es aber ganz und gar nicht so. Aber der Reihe nach. Habe hervorragend geschlafen und mindestens drei mal die Schlummertaste von meinem Handywecker gedrückt, bevor ich um neun endlich auf der Matte stand. Nach einem kurzen, aber sättigenden Frühstück habe ich schnell meine Sachen zusammengepackt und bin noch einmal ca. fünf Kilometer der gestrigen Strecke zurückgefahren. Denn nach dem Check-In fiel mir auf, dass eine Sandale und mein Stirntuch fehlte. Die Sandalen lagern auf dem hinteren Gepäckträger rechts und links vom zusammengefalteten Ersatzreifen und werden durch den darüber liegenden Campingsack fixiert. Das Stirntuch ist normalerweise da, wo es hingehört: Als Bandana auf dem Kopf. Freilich ist es denkbar, dass sich eine Sandale bei besonders üblen Holperwegen lösen kann. Aber das Kopftuch? Der einzig sinnvolle Ort zum Nachsehen schien mir mein letzter Rastplatz zu sein. Und tatsächlich: Dort lagen beide. Das Halstuch ordentlich zusammengefaltet, die Sandale als Beschwerung darüber. Unmöglich, dass ich sie in dieser Ordnung zurückgelassen habe. Wäre einfach untypisch für mich. Dem freundlichen Finder und Arrangeur daher ein fettes Merci. Google meint, das heißt: Suur aitäh sõbralik lehekülge. Die Sandale wäre verschmerzbar gewesen, der Fetzen Stoff auch. Aber der Verlust meines Wölflingshalstuchs hätte doch weh getan.

Versöhnt mit der Welt ging es mit neuem Schwung weiter. Erst einmal nach Lihula, wo ich einen jungen Deutschen traf, der mit seinem 1988er VW Bus ebenfalls unterwegs zum Nordkap ist. Haben uns nett unterhalten. Vielleicht trifft man sich ja nochmal. Allerdings will er in Finnland entlang der russischen Grenze nach Norden fahren. Auch sonst treffe ich zunehmend mehr Radtouristen mit schwerem Gepäck. Gut zu wissen, dass da draußen noch andere Irre unterwegs sind.

Nach Lihula ging es weiter auf Richtung Risti. Marion und Purch dürften den Großteil der Strecke noch vom letzten Jahr kennen – allerdings in der Gegenrichtung aus Rapla. Über Riisipere ging es weiter nach Ämari, wo ich gegen 17 Uhr einen Campingplatz vorzufinden gedachte, stattdessen aber nur auf einen natostacheldrahtumwickelten Flugplatz stieß. @Purch: Sachma, neigen Kartographen eigentlich überdurchschnittlich zum Trinken oder hassen sie einfach so Campingplätze? Aber was soll's. Die Sonne stand hoch. Das Wetter war gut. Also warum nicht noch ein paar Kilometer weiterfahren. Irgendwann wird schon ein Hostel kommen. Kam aber nicht. Stattdessen ein Wegweiser „Tallinn (A8): 35 km“. Jetzt war es auch schon wurscht. Dann strampeln wir den Rest halt durch und erzählen irgendeinem Nachtportier die Story vom Pferd und warum es unbedingt ein Zimmer braucht. An der Geschichte war der junge Mann im Sokos-Hotel aber gar nicht interessiert. Er wollte lediglich meinen Ausweis und Kreditkarte – und schon war ich im zehnten Stock dem siebten Himmel nahe. Nach dem Duschen noch schnell im Kioski ein paar Saku besorgt. Dürfte für längere Zeit das letzte bezahlbare Bier sein. Apropos bezahlbar. Mit der Euro-Umstellung ist Estland deutlich teurer geworden. Gefühlt haben sich die Preise mindestens verdoppelt und entsprechen in etwa denen in Deutschland. Für Touris wie mich ist das zwar ärgerlich, aber nicht wirklich tragisch. Wie allerdings die Bevölkerung hier damit klar kommt? Puh. Die Nachrichtenfetzen, die mich zu Griechenland und dem Euro erreichen, klingen auch nicht so prickelnd. Soll ich da nach dem Nordkap wirklich umkehren oder wäre es nicht klüger, sich dort oben als Selbstversorger niederzulassen? Man wird sehen.

Egal. Nach der doch etwas längeren Strecke habe ich morgen deutlich flexiblere Optionen. Auch mit großzügigem Ausschlafen werde ich eine frühe Fähre erreichen. In Helsinki wollte ich eh einen Ruhetag einlegen. Zum einen, um die fehlenden Karten zu besorgen.Zum anderen, weil Helsinki bisher immer nur Durchgangsort war und ich mir sicher bin, dass die Stadt mehr zu bieten hat.


Distanz: 165 km

Durchschnittsgeschwindigkeit: 20,5 km/h

 

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