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7. Tag, Donnerstag, 9. Juni 2011


Der erste Tag in Polen. Bis es soweit war ging's zunächst noch einmal auf traumhaften „Fahrradstraßen“ durch die Lausitz. Kurz vor Guben machte ich eine Pause, um das Navi vom Netbook aus mit der Polenkarte zu bestücken. Das erforderte ein bisschen Zeit und gestaltete sich angesichts des hellen Sonnenlichts und des spiegelnden Displays nicht ganz einfach. Irgendwann hatte ich die Faxen dick, nahm ein Handtuch und stülpte es über Kopf und Computer. Muss ziemlich bescheuert ausgesehen haben, wie da ein Radler versucht, seinen Rechenknecht zu inhalieren. Immerhin, angesprochen hat mich keiner der Passanten.

Nach dem Grenzübergang hat mich ein freundlicher Nordwestwind förmlich nach Polen reingeweht. Ohne große Anstrengung ging es mit rund 27 km/h dahin. Viel Verkehr, vor allem schwere LKW – aber die Hauptverkehrsstraßen in Grenznähe sind alle nagelneu und hervorragend zu fahren. Später wich ich dann auf Nebenrouten aus und lernte die in Webforen vielgeschmähten polnischen Kraterpisten kennen. Zwei Sorten gilt es zu unterscheiden: Canali grande und Shock-and-awe. Erstere sind auf den stärker befahrenen Routen verbreitet und zeichnen sich durch bis zu 30 cm tiefe Spurrillen aus. Ohne Verkehr wären sie ein erstklassiger Spielplatz für BMX-Fahrer. Shock-and-awe-Pisten andererseits sind durch so viele Teerflecken unterschiedlicher Größe und Dicke geflickt, dass man selbst bei moderatem Gefälle ordentlich treten muss, um überhaupt voranzukommen. Auch empfiehlt es sich, die Zähne zusammenzubeißen, um sie sich nicht auszuschlagen oder die Zunge zu verlieren. Trotz allem sind es meist wunderschöne Strecken inmitten der Natur ohne großen Verkehr.

Umso heftiger war der Schock, als ich nach etwa 40 km auf Nebenrouten bei meinem geplanten Tagesziel ankam. Vom laut Karte vorhandenen Campingplatz weit und breit keine Spur. Dafür eine Hauptstraße, die unablässig von schweren LKW gepflügt wurde. Da der nächste Campingplatz nochmal 50 km entfernt war und ich der Karte ohnehin nicht mehr traute, entschloss ich mich, im erstbesten Hotel in Swiebodzin zu übernachten. Nun sitze ich hier also in einer ziemlich heruntergekommenen Absteige, der durchaus eine zweite Karriere als 40er-Jahre-Psychiatriegebäude in billigen Horrorfilmen winken könnte. Auf seine eigene Art hat das was. Unterstrichen wird die Atmosphäre beim Bummel durch die recht nette Altstadt, als aus einem Backsteinschulgebäude verhallte Glenn Miller Musik klingt. Offenbar ein Schulball. Als nach Ende des Stücks Scharen von Nebelkrähen und Möwen in das Kreischen der Teenies einstimmt, weiß ich: Hier gefällt's mir. :-)


Distanz: 123 km

Durchschnittsgeschwindigkeit: 20,9 km/h



8. Tag, Freitag, 10. Juni 2011 - nach Oborniki


Ein relativ ereignisloser Tag. Er bestand hauptsächlich aus Radfahren. Irre, gell! Ernsthaft: Eigentlich wollte ich mich stärker nordöstlich orientieren. Als ich aber nach ein paar Kilometern auf der E30 merkte, wie gut ich hier vorankam und dass Posen nur 105 km entfernt war, beschloss ich vorerst weiter östlich zu fahren. Tatsächlich flogen die Kilometer nur so dahin. Jedoch wurde der Verkehr immer dichter, lauter, abgaslastiger, stressiger. Kurz vor Posen beschloss ich dann, den Großraum der Stadt in Richtung Norden zu umfahren. So hilfreich der stark auffrischende Nordwestwind zuvor war, forderte er nun seinen Tribut. Ein Campingplatz, an dem ich schon Halt machen wollte, erwies sich als geschlossen. So richtig böse war ich nicht darüber, da 16:00 ein bisschen früh für den Feierabend ist. Also fuhr ich – stetig begleitet von tosendem Verkehr – weitere 17 km bis Oborniki. Dort gibt es zwar wieder einmal keinen Campingplatz, aber dafür ein sehr akzeptables Hotel (ganz andere Liga als gestern). Klein, fein, geschmackvoll ausgestattet – nur leider etwas unterbesetzt. Als ich vorhin vor der Tür eine rauchen wollte, stellte ich fest, dass die Rezeptionistin offenbar Schichtende hatte und mich fürsorglicherweise eingesperrt hat. Na, mal schauen ob jetzt um halb acht wieder offen ist. Würde gerne einen Happen essen gehen.


Distanz: 134 km

Durchschnittsgeschwindigkeit: 21 km/h

 

 

9. Tag, Samstag, 11. Juni - nach Bydgosczc

Wieder ein Tag mit viel Verkehr. Bin froh, wenn ich endlich ins hoffentlich ruhigere Masuren komme. Bisher zeigt sich Polen leider nur wenig fahrradaffin. Es gibt kaum durchgehende Radwege. Die Zufahrt zu größeren Städten erweist sich als nicht ganz ungefährlich. Irgendwie haben es die Autofahrer hier noch eiliger als daheim. Kurz vor der Ortseinfahrt zuckelt der Vordermann mit 100 km/h dahin? Kein Problem, Kick-down und mit 140 vorbei. Ach, da kam noch ein Radler entgegen? Na und, was heult die Pfeife denn? Zwischen ihm und meinem SUV war doch noch ein halber Meter Platz. Also, Städte machen hier wenig Spaß. War heute kurz in Bydgoszcz drin, um evtl. eine Radwerkstatt zu finden, da bei meinem hinteren Gepäckträger zwei Streben gebrochen sind. War natürlich eine sinnlose Aktion, so dass ich bald entnervt Richtung Camping Jaglowo abgezogen bin. Der Stadt tue ich damit Unrecht. Wirkte – wenn man erst einmal den Sperrgürtel der Zufahrtsstraßen durchbrochen hat – sehr schnuckelig. Wichtiger als Sightseeing war mir dann aber doch, einen Schlafplatz zu finden. Zumal ich nach den bisherigen Erfahrungen nicht sicher sein konnte, den eingetragenen Campingplatz geöffnet bzw. überhaupt existent vorzufinden. Nun, es gibt ihn wirklich. Sehr urig im Wald gelegen und angenehm rustikal ausgestattet. Lediglich die Beschallung mit 80er-Jahre Eurodisco muss man mögen. Egal, es gibt Wasser für Tee, ich hab einen Platz zum Schlafen und das Wetter ist prima. Bassd scho aso wie's is.

Ach ja, den Gepäckträger konnte ich mit Kabelbindern provisorisch fixieren, trotzdem sollte da in den nächsten Tagen ein Austausch stattfinden.

 

Distanz: 124 km

Durchschnittsgeschwindigkeit: 17,5 km/h
 

10. Tag, Sonntag, 12. Juni - nach Grudziadz


Nichts müffelt mehr, als das Vorurteil von gestern. Bin heute einige Nebenstrecken gefahren, die einem Fahrradland durchaus gerecht werden. Meist guter Belag, hin wieder brauchbare Kiespisten, nur ein paar Sandwegen bin ich dann doch ausgewichen. Angenehm war heute auch der großteils fehlende LKW-Verkehr. PKWs gab es aber genug. Aber da bleib ich dabei: Der Fahreranteil, der wie eine gesengte Sau durch die Gegend brettert, ist deutlich höher als im Dachauer Land oder im westlichen Brucker Landkreis. Und wahrscheinlich können unsere Burschen noch den ein oder anderen Trick von den hiesigen lernen.

Ansonsten war es ein kurzer Tag. Bereits nach rund 80 km habe ich in Grudziadz Schluss gemacht. Zum einen sind die Beine echt müde geworden, zum anderen hoffe ich darauf, hier in der Stadt einen neuen Gepäckträger zu bekommen.


Distanz: 82 km

Durchschnittsgeschwindigkeit: 18,4 km/h

 

 

11. Tag, Montag, 13. Juni - nach Ostróda


Den Vormittag verbrachte ich in Grudziadz mit der Besorgung eines neuen Gepäckträgers. Der erste Laden, den ich im Netz ausfindig gemacht hatte, konnte mir nicht weiterhelfen. Dafür wusste die Tourist Information eine gute Adresse. Hat Spaß gemacht, dort mit Händen und Füßen zu erklären, wo es hakt. Und es hat bestens funktioniert: Neuer Träger inkl. Montage für 52 Zloty. Gut gelaunt hing ich noch eine Weile am Weichselufer rum, bevor ich mich gegen halb eins auf den Weg nach Ilawa machte. Kam gut voran, obwohl es zunehmend hügliger wurde. Zwar gleichen sich Steigungen und Gefälle ziemlich aus, aber man muss schon mehr treten als in der Ebene. Macht nix – gutes Training. Später griff ich dann doch noch zu MP3-Doping: Mein Radreiseklassiker „Broadsword and the beast“ von Jethro Tull sowie „Funplex“ von den B-52s. Wirklich erstaunlich, wie der Kopf sofort abschaltet und den Körper unbewusst die ganze Arbeit machen lässt. Ist Musik eigentlich bei der Tour de France zugelassen?

In Ostróda kurz in Versuchung geraten, ein 4-Sterne-Hotel zu buchen – war dann aber doch zu geizig. Zum Glück. Ca. 8 km hinter der Stadt lag ein wunderschöner Campingplatz neben der Straße. Sehr urig. Abends traf sich noch eine lustige Runde aus deutschen Bikern (Harley-Typ), schwäbischen Wohnmobilfahrern und polnischen Campern. Ein babylonisches Sprachgewirr und eine super Stimmung.

Ach ja, die ersten 1000 km wurden heute Nachmittag auch noch erreicht.


Distanz: 114 km

Durchschnittsgeschwindigkeit: 18,7 km/h


 

12. Tag, Dienstag, 14. Juni - nach Mragowo


Hügelig ist es schon, dieses Masuren. Und soweit ich es jetzt schon sagen kann auch sehr schön. Bin heute leider wieder auf der Fernstraße 16 gefahren, so dass der Verkehr entsprechend war. Ein kurzer Abstecher nach Olsztyn hat mich mit einem schönen schattigen Park, einer sehenswerten Altstadt und einer guten Stunde zähen Geschiebes und langsamen Fahrens durch die weniger sehenswerten, dafür aber ausgedehnteren Suburbs belohnt. Anschließend wie gesagt weiter auf der Hauptstraße bis Mragowo durchbeißen. Falls die Karten nicht lügen, sollte es das aber mit vielbefahrenen Straßen in Polen gewesen sein. Morgen kann endlich die 1:75.000 Masurenkarte mit reichlich Radwegen zum Einsatz kommen. Danach noch eine Übernachtung und falls alles klappt bin ich Donnerstag bereits in Litauen.

Habe heute zum ersten Mal die Stretchradhose ausprobiert. Sieht lächerlich aus, hat keine Taschen und fühlt sich komisch an. Aber trotzdem: Mein Hintern sagt, das Ding sei klasse und ich solle aufhören, über Sachen zu motzen, von denen ich keine Ahnung habe. Wahrscheinlich hat er Recht und das Ding ist wirklich für'n Arsch.


Distanz: 105 km

Durchschnittsgeschwindigkeit: 17,8 km/h 


13. Tag, Mittwoch, 15. Juni - nach Goldap

Ein Tag wie im Urlaub, auch wenn er zunächst gar nicht so begann. Noch vor sechs Uhr früh beschloss ein Bautrupp, die Straße neben dem Campingplatz mit dem Presslufthammer aufzureißen. Pausen wurden nur gemacht, um den Schutt in einen leeren Kipper poltern zu lassen. Der Gärtner des Platzes dachte sich wohl, dass es angesichts des Lärms auf ein bisschen mehr auch nicht ankomme. Er begann Punkt sechs Uhr, die Einfassungen der einzelnen Stellplätze mit der benzinbetriebenen Heckenschere zu trimmen. Als dieses surrend-pfeifende Heulen sich langsam meinem Zelt näherte, überlegte ich kurz, wie meine Chancen im Kampf Opinel gegen Heckenschere aussähen. Wohl nicht allzu gut. Ich ging um 6:05 h duschen und machte mich anschließend – etwas angesäuert – vom Acker.

Aber der frühe Aufbruch hatte auch sein Gutes. So konnte ich die Straße nach Ryn schnell hinter mich bringen. Schnell, naja. So auf leeren Magen schlägt dieses ständige Auf und Ab (gefühlt dreimal mehr Aufs als Abs) schon heftig rein. In Ryn füllte ich zunächst meine Vorräte auf: Brot, geräucherte Würstchen, Bananen, O-Saft, ein Eis für sofort und – der Knaller – vier Schokoriegel White Lion. Letzteres ist wie das normale Lion, nur eben mit weißer Schokolade. Kannte ich bisher nicht, hat aber evtl. das Potential, Snickers vom Thron der Ich-mag/kann/will-nicht-mehr-Notreserve zu stoßen. Einen entsprechenden Ein-Personen-Feldversuch habe ich bereits initiiert.

Ab nun ging es ausschließlich auf Radwegen durch die masurischen Felder und Wälder. Ein Traum. So gut wie keine Autos, leidlich gute Wege (nur ein Kilometer Sandpiste musste geschoben werden) und ganz einfach eine bombastische Landschaft. Mit all seinen Hügeln erinnert die Masurische Seenplatte ein wenig ans Voralpenland. Hält man aber erst einmal an und lauscht dem Wispern der Birken unter dem bereits deutlich maritimen Himmel, ist es doch ganz was anderes. In den Wäldern kommen unzählige, mir fremde Vogelstimmen dazu. Teilweise klingt es eher nach tropischem Regenwald als nach 54 Grad nördlicher Breite. In Gizycko tauschte ich mich mit zwei Polen über meine bisherigen Raderfahrungen in der Gegend aus. Kurz darauf traf ich Waldemar, einen Polen, der seit 26 Jahren in den USA lebt und nun ein Grundstück hier in der Nähe gekauft hat. Sehr nette Unterhaltung. Er gab mir auch noch seine Visitenkarte und meinte, ich solle anrufen, falls ich irgendwelche Hilfe brauche. Einfach klasse, wie leicht man mit den Leuten ins Gespräch kommt, sobald man mal nicht mit dem Auto unterwegs ist.

Ebenfalls in Gizycko hatte ich das Glück, dass eine Drehbrücke vor meiner Nase gesperrt wurde. Das läuft ähnlich ab wie bei einem Bahnübergang. Schranken werden heruntergelassen, dann kurbelt der Brückenwärter mit ganzem Körpereinsatz die Brücke um 90° zur Seite, so dass die Segel- und Motorboote von beiden Seiten ampelgesteuert passieren können. Nach etwa 40 Minuten wird die Brücke zurückgedreht und der Landverkehr hat wieder Vorfahrt. Nach diesem kleinen Intermezzo ging es weiter nach Wolisko, wo man in einem Freigehege Wisents bewundern kann. Leider haben die aber nur morgens zwischen 8 und 10 und abends zwischen 18 und 20 Uhr Besuchszeit. Auf die Spätvorstellung konnte ich leider nicht warten, da sonst keine Übernachtungsmöglichkeit mehr in Reichweite gewesen wäre. Gelohnt hat sich die Fahrt durch die Wälder aber in jedem Fall. Ein Radurlaub nur in Masuren ist mit Sicherheit eine Überlegung wert. Durch den Abstecher nach Wolisko bin ich von meinem ursprünglichen Ziel Suwalki abgekommen und in Goldap, weiter nördlich und schon fast an der Grenze zu Kaliningrad, gelandet. Dadurch ist es fraglich, ob ich es morgen wie geplant bis nach Druskininkai in Litauen schaffe. Muss aber irgendwie gehen. Noch einmal wie 2008 lasse ich mir den Grutaspark nicht entgehen.


Distanz: 119 km

Durchschnittsgeschwindigkeit: 17,7 km/h

 

 

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